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Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Titel: Die Sechzigjaehrige und der junge Mann
Autoren: Nora Iuga
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lassen, sich zwicken, wo die Finger gerade hinlangen, wie junge, läufige Hunde, eben dort, jetzt … das Gebüsch am Schriftstellerhaus nachts während jener Sintflut, Terrys Spinnenbeine, die sich um Dimis Nacken winden. Der grüne Blick klettert über die Wirbelsäule und heftet sich auf ihren Nacken. Was habe ich mir bloß dabei gedacht, diesem Mann, der mein Sohn sein könnte, mit meinem albernen Gewäsch den Kopf wolkig zu reden. Ich weiß schon warum, aber ich schäme mich, es zu sagen, denn ich bin wohl wie die Katze auf dem Fensterbrett, wenn hinter der geschlossenen Scheibe eine Taube erscheint. Geständnisse können sinnlicher sein als der Akt an sich. Mit Gewalt ziehen sie den, dem du dich eröffnest, in dein Innenleben hinein. Du machst Liebe mit der Seele! Nennen wir esso, denn ohnehin können wir es nicht benennen, es, das gierigste Wesen auf diesem Erdenrund. Es, das den Himmel mit seinen Projektionen befleckt und im Augenblick des Orgasmus den Namen Gottes ausruft.
    Ich kehre vom Fenster zurück und starre ihn an. Vor mir sitzt ein Fremder. Er hat einen gelangweilten Gesichtsausdruck, nichts findet er interessant genug, um es zu betrachten. Seine Abwesenheit macht mich stumm. Ich kann kein Gespräch mehr anknüpfen, nehme allen Mut zusammen und erhöhe den Einsatz. Weißt du, warum ich so gerne mit dir rede, du bist einfach der verführerischste Zuhörer. Sie schweigt, erschrocken über die Frechheit ihres Geständnisses, in Gedanken fährt sie fort. Solange wir zusammen sind, läuft alles normal, wie unter Freunden. Aber wenn wir uns verabschiedet haben, beginnt der Wahnsinn, beginnt die Masturbation. Ich wiederhole meinen Monolog und teile ihn zwischen ihm und mir auf. Eine Hälfte behalte ich für mich, die andere überlasse ich ihm. Ich fange an zu glauben, dass einiges von dem, was ich gesagt habe, eigentlich er ausgesprochen hat. Und dann, jedes an mich gerichtete Wort ist ja aufgeladen mit Gefühl, beginne ich zu glauben, dass er sogar verliebt ist in mich. Eine mögliche Liebe zwischen uns scheint mir nun nicht einmal mehr lächerlich, trotz des Altersunterschieds, sondern einzigartig, ohnegleichen. Ich sage manchmal Dinge zu ihm, für die ich mich schäme, er könnte sie ja geradewegs als Antrag verstehen und vor mir fliehen. Merkst du nicht, wie viel wir gemeinsam haben, ich meine, wir sind einander so ähnlich, und vor allem dieses Glück, mit dir zu sprechen, das so unvorbereitet aufbricht, als hätte ich eine dauerhafte Inspiration gefunden, dieOffenbarung zweier Geschwisterseelen … Diese antiquierten Floskeln, sie hielt wieder inne, merkte, dass sie es schon wieder zu weit getrieben hatte, dass sie eigentlich log, wenn sie diesem jungen Mann, der ihr so geduldig zuhörte, die von ihr ersehnten Worte in den Mund legte. Eigentlich war er ja eine ihrer Projektionen, irgendwo in ihrem Unterbewusstsein wurde der Wunsch immer lauter, mit sich selbst Liebe zu machen. Der grüne Blick verharrte minutenlang auf den Streifen seiner Turnschuhe. Er schien verwirrt, seine Hand spielte mit dem Kettchen seines Schlüsselanhängers. Sie war zu weit gegangen, Anna wusste nicht, wie sie diesen Fehltritt wiedergutmachen sollte, welche Worte muss ich finden, um ihn zurück zu unserer warmen, schüchternen Freundschaft zu führen. Verzeih mir dieses peinliche kurze Intermezzo. Ich bin eben überspannt, ich kann’s nicht ändern. Aber wo waren wir stehen geblieben. Ah ja, bei Terry.
    Arpad Kövary war 1955 wegen Verrats von Staatsgeheimnissen ins Gefängnis gekommen. Er war der Direktor der Telefonzentrale von Timişoara, und versehentlich hatte er seinen serbischen Geschäftspartnern, mit denen er wegen internationaler Telefonverträge in Verbindung stand, die Planzahlen des laufenden Jahres mitgeteilt. Anna ahnte ja nicht, weshalb Terry immer eine Flasche Schnaps im Haus hatte. Natürlich erfuhr es sofort, wer es wissen musste, du weißt ja, wie das damals war, nun, du weißt es nicht, du warst nicht einmal geboren, sie passten auf wie die Schießhunde, und kaum kam einer vom Weg ab, schnappten sie ihn und steckten ihn ins Kittchen. Terry hat damals furchtbar gezittert, dass man sie exmatrikulieren würde, ich war die Einzige, der sie sich später anvertraute,aber sie kam noch einmal davon. Als ihr Vater nach zwei Jahren Gefangenschaft heimkehrte, war er zu nichts mehr zu gebrauchen. Niemand stellte ihn mehr ein, und nach einem Gehirnschlag starb er in der Nervenklinik von Gătaia. Er lag mit paranoider
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