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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
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  Prolog
    Sie saß lange bei Mama. Sie schlief ein Weilchen auf dem Rücksitz und kroch dann nach vorn. Dort war es kalt. Mama ließ den Motor eine Weile laufen und schaltete ihn dann wieder aus. Mama hatte auf ihre Frage nicht geantwortet, also fragte sie noch einmal, und Mamas Stimme klang streng. Da schwieg sie. »Warum kommt er nicht?«, hatte Mama gesagt, aber nur so vor sich hin und nicht zu ihr. »Wo steckt er um Himmels willen?«
    Jemand sollte kommen und sie abholen, und dann würden sie nach Hause fahren, aber es kam niemand. Sie wollte bei Mama sein, aber sie wollte auch gern im Bett liegen. Es war nun dunkler, und es regnete. Sie konnte nicht hinausschauen, weil die Fenster beschlagen waren. Da kroch sie näher heran und rieb mit dem Pulloverärmel über das Fenster. Autos glitten vorbei, und es war, als führen die Lichter Karussell in dem Auto, in dem sie saßen. »Warum können wir nicht fahren?«, hatte sie gefragt. Mama hatte nicht geantwortet, also fragte sie noch einmal. »Sei still!«, befahl Mama. Da wagte sie nichts mehr zu sagen, weil die Stimme vom Vordersitz so hart klang. Mama sagte mehrere hässliche Wörter. Aber sie hatte sie schon so oft gehört, dass es ihr nichts mehr ausmachte. Sie hatte solche Wörter selbst gebraucht, und es war gar nicht schlimm gewesen. Aber sie wusste, dass es trotzdem nicht richtig war.
    Der Regen trommelte aufs Dach. Trommeditrommeditrom. So träumte sie eine Weile vor sich hin und schlug mit der Hand auf den Sitz neben sich: trommeditrommeditrom.
    »Lieber Gott«, sagte Mama und wiederholte es mehrmals. »Bleib hier.« Mama öffnete ihre Tür vorne. »Du musst hier bleiben, wenn ich telefonieren gehe«, sagte Mama, und sie nickte zur Antwort vom dunklen Rücksitz her. Es war noch nicht richtig Abend draußen, aber dunkel war es trotzdem.
    »Ich kann dich kaum sehen«, sagte Mama. »Du musst antworten.«
    »Wohin gehst du?«
    »Ich gehe nur zur Telefonzelle an der Ecke und rufe an. Es dauert nicht lange.«
    »Wo ist die? Kann ich nicht mitkommen?«
    »Du bleibst hier!«, sagte Mama streng, und sie antwortete »ja«. Mama warf die Tür zu, und sie bekam Regenspritzer ab. Sie fuhr zusammen vor Schreck.
    Dann saß sie still, horchte auf Schritte draußen und glaubte, das Geräusch von Mamas Schuhen auf der Straße zu hören, wie ein Klicketiklicketiklack. Es konnte jemand anders sein, aber sie sah nichts. Draußen war es neblig.
    Sie zuckte zusammen, als Mama zurückkam. »Niemand da!«, sagte Mama oder rief es vielmehr. »Herrgott! Die sind schon weg!«
    Mama ließ den Wagen an, und sie fuhren los. »Fahren wir jetzt heim?«
    »Bald«, sagte Mama. »Wir müssen nur vorher noch etwas erledigen.« »Ich möchte aber heim.«
    »Wir fahren ja nach Hause. Aber wir müssen erst noch was anderes erledigen«, sagte Mama, dann hielt sie den Wagen wieder an, stieg aus und setzte sich neben sie auf den Rücksitz. Mamas Gesicht war nass.
    »Bist du traurig, Mama?«
    »Nein. Das ist vom Regen. Hör mir jetzt gut zu. Wir fahren erst zu einem anderen Haus und holen ein paar Onkel ab. Hörst du, was ich sage?«
    »Wir holen ein paar Onkel ab.«
    »Ja. Die Onkel werden angerannt kommen, wenn sie uns sehen, das ist nämlich ein Spiel. Sie springen ins Auto, wenn es noch gar nicht richtig gehalten hat. Verstehst du?«
    »Die springen ins Auto?«
    »Wir fahren langsamer, sie springen ins Auto, und wir fahren wieder los.«
    »Fahren wir dann heim?« »Etwas später, ja.« »Ich will aber jetzt heimfahren.«
    »Das machen wir auch bald. Aber vorher spielen wir noch dieses kleine Spiel.«
    »Können wir nicht morgen spielen, wenn es heller ist? Ich bin müde. Das ist ein doofes Spiel.«
    »Es muss aber sein. Wichtig ist vor allem, dass du dich auf den Boden legst. Das gehört zum Spiel. Du musst dich auf den Boden legen, wenn ich es sage. Verstehst du?«
    »Warum denn?«
    Mama schaute sie an und dann immer wieder auf die Uhr. Es war jetzt ganz dunkel hier drinnen, aber Mama konnte die Uhr sehen. »Weil sie so schnell gelaufen kommen und vielleicht andere, die nicht mitspielen sollen, auch ins Auto springen wollen. Die könnten dich stoßen oder so. Deshalb musst du hinter meinem Sitz unten auf dem Boden liegen.«
    Sie nickte.
    »Probier es mal aus.« »Aber du hast gesagt, dass... « »Leg dich hin!«
    Mama fasste sie hart an. Es tat weh im Nacken. Sie legte sich auf den Boden, der schlecht roch und kalt und nass war. Das Atmen fiel ihr schwer. Sie hustete und lag auf dem kalten
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