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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm
Autoren: Horst Hoffmann
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Ruck. Er glaubte, der Arm müßte ihm aus der Schulter gerissen werden. Flinke Hände schlangen die Riemen um seinen Leib und zogen sie immer fester, bis endlich der Arm auf seinen Rücken gebunden war. Er gehörte ihm nicht mehr. Er kämpfte selbst jetzt noch und suchte, die Riemen zu sprengen. Der Unbekannte kniete auf ihm. Luxon hörte seinen schweren Atem. Und Andraiuk schlief friedlich, als gäbe es nichts, das sein Leben bedrohte.
    Da endlich wich die fremde Kraft aus dem Arm. Luxon spürte, wie das Blut durch ihn rann. Er fühlte ihn wieder wie etwas, das nie einem anderen Willen gehorcht hatte als dem seinen.
    »Es ist gut«, hörte er seinen Bezwinger murmeln. »Es ist vorbei, mein Freund.«
    Das war Alamog!
    »Sei still!« flüsterte der Magier. »Ich werde dir einiges zu sagen haben, und es wird dir kaum gefallen, mein Freund. Jetzt steh auf. Ich bringe dich zurück.«
    Wortlos erhob sich Luxon. Daß Alamog ihm die Riemen nicht abnahm, ließ ihn ahnen, daß der Magier seinem Arm noch nicht recht traute. Durch geheime Gänge gelangten sie zurück in Luxons Quartier.
    Das Licht tat ihm gut. Alamog blickte ihn prüfend an. Erst dann befreite er ihn.
    »Du… du hast das alles in die Wege geleitet?« fragte Luxon, nachdem er einen Becher Wein in einem Zug geleert hatte. »Du wußtest um…?«
    »Es waren nur Vermutungen. Das heißt, ich war mir meiner Sache ziemlich sicher, brauchte jedoch den Beweis. Luxon, ich bat die Götter, daß ich mich irrte.«
    Eine Weile lang schwiegen beide. Dann sagte Luxon niedergeschlagen:
    »Ich hinterließ ihnen also wahrhaftig meinen Arm, meine Augen und mein Herz als Pfand.«
    »Nicht den Riesen, Luxon. Sie hättest du täuschen können, nicht aber den Rachedämon. Ja, mein Freund, ich weiß es.«
    Und er erklärte Luxon, dem der Schreck noch in allen Gliedern steckte, was er herausgefunden hatte. Luxon verzog keine Miene. Bleich und wie versteinert saß er vor Alamog und hörte ihm zu. Wieder war es ihm, als griffe eine Hand aus Eis nach seinem Herzen.
    »Wie gesagt, brauchte ich die letzte Gewißheit«, schloß der Magier. »Nun wissen wir beide, daß es drei Mittler gibt, denen Achar Gewalt über dich gab. Wir kennen aber nur einen von ihnen – Dryhon. Der Verräter kann durch deinen Arm über viele Meilen hinweg handeln. Du hättest nicht verhindern können, daß er so Andraiuk gemeuchelt hätte. Der König wird von mir nichts erfahren. Ich gab ihm ein Schlafmittel in seinen Wein.«
    »Du sagst es ihm nicht?« fragte Luxon ungläubig.
    Alamog schüttelte sein greises Haupt.
    »Nein, mein Freund. Ich werde ihm sogar wirklich raten, auf deine Vorschläge einzugehen. Du bist unsere Hoffnung, daß Ayland auch zukünftig frei sein kann. Aber dir steht ein langer Kampf bevor, willst du wieder Herr über dich selbst sein. Keinen Augenblick darfst du unvorsichtig werden. Sei immer auf der Hut vor dir selbst. Dryhon kennen wir nun. Du wirst ihn unschädlich zu machen haben, um wieder allein über deine Linke verfügen zu können. Das sollte dir nicht unmöglich sein. Doch die beiden anderen Mittler kennen wir nicht. Sie zu finden, wird deine Aufgabe sein. Niemand wird dir dabei helfen können, auch ich nicht.«
    »Aber mein Herz«, sagte Luxon nach langem, betretenen Schweigen, »mein Herz wird Achar nicht genommen haben können. Es war geschützt durch den Trank.«
    Alamog sagte nichts darauf. Allein der Blick seiner Augen drückte seine Zweifel aus.
    »Nun versuche zu schlafen«, riet der Magier Luxon. »Gleich morgen in aller Frühe werde ich zu Andraiuk gehen und ihm meinen Ratschlag erteilen. Ich denke, daß er dir die Entscheidung noch vor Mittag verkünden wird.«
    »Schlafen! Und wenn es wieder geschieht?«
    »Du kennst nun die Gefahr, Luxon. Es gibt nur den einen Trost, daß auch Dryhon nur in gewissen Grenzen von deinem Arm Gebrauch machen kann – nur dann, wenn es Achar gefällt.«
    Alamog reichte ihm ein neues Glas Wein, in das er vor Luxons Augen ein gelbes Pulver gab.
*
    Als der Morgen heraufdämmerte, begab sich der Magier zum König. Andraiuk war auf und guter Dinge, ausgeruht nach einem tiefen Schlaf.
    »Ich weiß um den Grund deines Kommens, Alamog«, empfing er seinen Besucher. »Doch bevor wir darüber reden, folge mir zur Königin. Ich möchte, daß du siehst, wie sehr sie sich verändert hat, und daß du mir die letzten Zweifel nimmst. Es ist nicht gut, wenn ein Mann auf zwei Schultern zu tragen hat, wenn er über das Wohl seines Landes entscheiden
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