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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm
Autoren: Horst Hoffmann
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antwortete. Niemand öffnete ihm.
    Noch einmal schlug Luxon gegen das Holz. Als er auch diesmal umsonst wartete, zuckte er die Schultern und wandte sich, leicht verärgert, zum Gehen.
    Doch Alamog schien es für wichtig zu halten, daß er jetzt mit Andraiuk sprach.
    Bedeutete das Schweigen, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen war? Konnte der König ihm nicht mehr öffnen?
    Bei dem Gedanken daran, daß Dryhon Mittel und Wege gefunden haben könnte, um Andraiuk von unbekannt gebliebenen Helfershelfern meucheln zu lassen, überlief es den Mann aus Sarphand eiskalt. Er zögerte nicht mehr, nahm Andraiuks Zorn in Kauf und öffnete die Tür einen Spalt breit.
    »König?« flüsterte er.
    Es blieb alles still. Im Gemach war es halbdunkel. Nur wenige Kerzen brannten mit kleiner Flamme. Ein Gefühl nahen Unheils beschlich Luxon. Etwas stimmte nicht. Er sah sich auf dem Gang um. Als er sich unbeobachtet fühlte, schob er sich schnell in den Raum und schloß die Tür hinter sich.
    Die Stühle und Diwane waren leer. Auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes stand eine Schale mit Broten und Früchten und ein nur halb geleertes Glas. Doch nichts war zu sehen von Andraiuk.
    Abermals zögerte Luxon. Abermals rief er leise den Namen des Herrschers.
    Wollte er ihn auf die Probe stellen?
    Luxon riß die Geduld. Für derlei Spaße war jetzt nicht der rechte Augenblick. Es reichte, wenn Alamog ihn überprüfte. Das wußte Andraiuk so gut wie er. Wenn er ihn nicht hier erwartete, mußte es also einen anderen Grund dafür geben.
    Luxon schlich auf die Vorhänge zu, hinter denen er Andraiuks Schlafgemach wußte. Befremdet stellte er fest, daß er zu schwitzen begann und sein Herz heftig klopfte. Was war los mit ihm?
    Er teilte die schweren Stoffe und schob sich ins dunkle Gemach.
    Andraiuk lag vor ihm und schlief fest. Er schnarchte und wälzte sich gerade auf die andere Seite.
    Was hatte dies alles zu bedeuten? War es doch eine Probe – oder gar eine Falle? Warteten irgendwo im Dunkeln versteckt die Palastwachen, um ihn, Luxon, auf frischer Tat zu ertappen?
    Auf frischer Tat…
    Wobei?
    Ohne es zu merken, war er bis ans Lager herangetreten und hatte sich über den Schlafenden gebeugt. Erschreckt wollte er zurückweichen. Doch etwas hielt ihn fest. Etwas zwang ihn dazu, mit der linken Hand unter sein Gewand zu greifen und…
    Seine Finger umklammerten den Griff des Dolches. Fassungslos sah Luxon, wie sich seine Hand bewegte, ohne daß er ihr den Befehl dazu gab. Entsetzt mußte er feststellen, daß er keine Gewalt mehr über sie hatte.
    Seine Linke umklammerte den Griff der Klinge, die sich immer weiter dem Schlafenden näherte. Luxon wollte aufschreien, doch kein Laut kam über seine Lippen.
    Bei allen Göttern! Was ist das? Was geschieht mit mir? Ich will nicht! Ich…!
    Er versuchte, sich herumzuwerfen. Er griff mit der rechten Hand nach seinem linken Arm. Doch das, was die Klinge führte, war ungleich stärker als er.
    Der Schweiß lief Luxon in Strömen über die Stirn und die Wangen. Er ließ die Linke los und spannte all seine Muskeln an. Doch wie von starken Stricken gezogen, näherte sich die Hand mit der Klinge dem König. Kaltes Entsetzen erfaßte ihn. Wie ein Rasender wehrte er sich gegen das, was von einem Teil von ihm Besitz ergriffen hatte, gegen eine Macht, die…
    Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Und dieser kurze Moment der schrecklichen Erkenntnis reichte aus, um dem, was seine Hand führte, zum entscheidenden Vorteil zu verhelfen. Die Klinge zuckte über Andraiuk in die Höhe, verharrte einen Herzschlag lang in der Luft, um dann mit fürchterlicher Gewalt herabzustoßen.
    Luxon hatte nur Augen für seine selbständig gewordene Linke, so daß er den Schatten nicht sah, der sich hinter ihm aus den Fenstervorhängen löste. Mitten im Stoß, der das Leben Andraiuks beenden sollte, warf sich ihm jemand in den Arm und riß ihn mit ungestümer Gewalt vom Lager fort. Luxon wurde herumgewirbelt und verlor den Halt. Schwer schlug er zu Boden. Der Schatten war über ihm und bog ihm den Arm auf den Rücken. Luxon konnte den Kopf nicht so weit drehen, um zu erkennen, wer ihm da plötzlich zu Hilfe gekommen war. Er wehrte sich nicht. Nur seine Linke kämpfte. Luxon konnte immer noch nicht schreien. Etwas verklebte seinen Mund. Wenn er dem Unbekannten nur helfen könnte, ihm sagen, was mit ihm geschah.
    Plötzlich spürte er, wie starke Riemen um sein linkes Handgelenk gelegt wurden. Dann gab es einen fürchterlichen
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