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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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    Prolog
    Das kleinste Schaf der
Welt
    Eine fabelhafte
Erzählung
    Im hohen Norden
Irlands erstreckt sich eine hügelige Ebene mit
saftiggrünem Gras. Diese fruchtbare Ebene grenzt an einen
großen, dunklen Wald und davor stand einmal ein schmucker
Bauernhof. Heute sind davon nur ein paar verfallene Mauerreste
übriggeblieben.
    Dort kam, als der Hof
noch von einem alten Ehepaar betrieben wurde, vor langer, langer
Zeit ein kleines Schaf zur Welt. Es war ein ganz besonderes Schaf,
denn es war sehr, sehr klein. Es hatte ein zierliches Gesicht, eine
schmale Schnauze und auffällig große, braune
Augen.
    »Hast du schon
einmal so ein kleines Schaf gesehen?«, fragte der Bauer
gleich nach dessen Geburt die Bäuerin, während er das
schwache Tier auf eine Schubkarre lud und in den warmen Stall
fuhr.
    »Das ist
bestimmt das kleinste Schaf der Welt!«, antwortete ihm die
Bäuerin und wischte mit einem Schwamm den blutigen Schleim vom
zierlichen Körper. »Was hältst du davon, wenn wir
es Seba nennen?«
    »Seba? Wieso
denn Seba?«
    »Nach Sebastian,
unserem Kleinsten!«
    Und so kam es, dass
Seba von der Bäuerin mit der Flasche großgezogen wurde
und erst lange nach Pfingsten auf die Wiese zu den anderen Schafen
kam. Das Mutterschaf Lotte war zuerst überglücklich. Es
liebte Seba von ganzem Herzen. Doch mit der Zeit musste sie
feststellen, dass die Herde ihr Gefühl für Seba nicht
teilte. Im Gegenteil, das kleinste Schaf der Welt wurde von den
anderen Schafen beflissentlich ignoriert. Seba konnte nicht so
übermütig in die Luft springen wie all die anderen
Jungschafe, seine Beinchen waren doch so zerbrechlich. Niemand
wollte mit dem kleinsten Schaf der Welt spielen. Es wurde
kurzerhand, trotz seiner besonders weißen Wolle, zum
schwarzen Schaf der Herde erklärt, unentwegt gehänselt
und gequält.
    Eines Nachmittags war
das kleinste Schaf der Welt wieder einmal von den anderen
stundenlang angerempelt worden. Seba lag verzweifelt im Schatten
einer mächtigen Buche, als er die tiefe Stimme seiner Mutter
Lotte hörte.
    »Sebaaaaah!«,
blökte sie aus einiger Entfernung. »Seeebaaaah!
Seeebääääh! Wo bist du denn schon
wieder?«
    Kurze Zeit später
tauchte ihr zotteliges Fell hinter dem Hügel auf, und sie
trabte gemächlich auf Seba zu.
    »Was liegst du
hier allein rum, Seba? Warum spielst du nicht, wie es sich für
ein kleines Schaf gehört, mit den anderen Lämmern?«
In ihrer Stimme klang ein vorwurfsvoller Unterton mit. Das kleinste
Schaf der Welt hasste diese Fragen und schaute sehnsüchtig zum
Himmel hinauf. Dort zogen weiße Schäfchenwolken
über den blauen Grund, eine schöner gekräuselt als
die andere.
    »Ich mag nicht
mit den anderen spielen!«
    »Aber spielen
ist doch etwas Schönes, Seba!«
    »Nein, ist es
nicht! Ich schaue mir lieber die Wolkenschäfchen
an!«
    Nur einmal möchte
ich wie eine große Wolke sein, dachte Seba, nur nicht so
blöd weiß und gekräuselt wie die meisten dort oben.
Ich will mächtig aufgebläht sein und schwarz. Und dann
werde ich mit Absicht gegen alle anderen Wolken stoßen, damit
ein feuriger Blitz vom Himmel fällt und mitten in diese
gemeine Herde fährt.
    »Du kannst jetzt
nicht hier bleiben und in den Himmel starren!«, sagte
Lotte.
    »Warum nicht,
Mama?«
    »Der weise
Widder ist gekommen, um zu der ganzen Herde zu sprechen. Da musst
auch du dabei sein!«
    »Der weise
Widder? Was ist ein weiser Widder?«, fragte Seba
neugierig.
    »Das ist ein
sehr, sehr, sehr altes Schaf, über 100 Jahre alt, älter
als alle Schafe in der Herde zusammen. Er lebt ganz allein in dem
großen, dunklen Wald neben unserer Weide. Und weil der Widder
schon so uralt ist, weiß er auch mehr als alle Schafe in der
Herde zusammen!«
    Seba war
plötzlich richtig aufgeregt und trabte gespannt neben seiner
Mutter über den Hügel in die weite Ebene zu der Herde. Es
dämmerte bereits. Die untergehende Sonne brachte den Himmel
zum Glühen. In einem großen Kreis hatte sich die Herde
vor dem weisen Widder formiert, dessen schwarzer Umriss mit den
gedrehten Hörnern imponierend vor dem runden Feuerball
stand.
    »Versammelte
Widder, Schafe und Lämmer«, sagte er mit langgezogener
Stimme, »ich habe eine wichtige Mitteilung zu machen, die das
bisherige Leben von euch allen auf den Kopf stellen wird. Der
böse Wolf ist tot! Ich habe sein Fell im großen, dunklen
Wald gefunden!«
    Ein jubelndes
Geblöke brach los und rollte wie eine tosende Welle über
den weisen Widder hinweg.
    »Halt, stopp,
liebe Freunde!«,
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