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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht
Autoren: Christopher Pike
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1. Kapitel
     
     
    Ein Blitzen lag in Teresa Chafeys Augen, als sie aus der Wohnung trat und die Tür hinter sich zuknallte. Der Abend war kühl. Von Westen zogen schwere Gewitterwolken heran; es donnerte und begann zu regnen. Teresa verharrte. Vielleicht sollte sie ihren Mantel und ihren Regenschirm holen. Oder einfach wieder reingehen und zu Hause bleiben? Es war vielleicht ein bißchen spät, um von zu Hause wegzulaufen.
    Aber sie wollte nicht in die Wohnung zurück.
    Sie hatte ihre Gründe.
    Teresa rannte zum Parkplatz. Es goß in Strömen, und binnen Sekunden klebten ihre hellbraunen Haare klitschnaß an ihren Wangen. Doch ihr Gesicht war sowieso schon naß gewesen, lange vor dem Regen. Sie hatte geweint, und sie weinte noch immer.
    Es gab so viele Gründe zum Weinen.
    Ihre Eltern waren übers Wochenende verreist. Teresa stand auf deren verlassenem Einstellplatz und suchte ihren eigenen Autoschlüssel. Sie waren in San Diego, wo sie ihren älteren Bruder, seine Frau und das gerade geborene Baby – Kathy, ihre Nichte – besuchten. Teresa hätte eigentlich mitfahren sollen, doch sie hatte erklärt, sie sei zu beschäftigt. Ihre Eltern riefen von unterwegs nie an, und sie würde schon eine Ewigkeit fort sein, bevor es jemandem auffiel.
    Sie hatte einen vier Jahre alten roten Mazda 626, der aber noch wie neu aussah. Sie öffnete die Tür und warf ihre Reisetasche nach hinten. Darin hatte sie nur das Nötigste: Waschzeug, einen Pullover, Unterwäsche zum Wechseln, ihr Scheckbuch. Sie hatte nicht viel Bargeld, höchstens neunzig Dollar. Sie mußte einen Job finden – so lange würde das Geld schon reichen. Sie stieg in den Wagen, startete den Motor und fuhr langsam vom Parkplatz. Es gab kein Zurück mehr, um nichts in der Welt.
    Teresa nahm die Ausfahrt am anderen Ende des Apartment-Komplexes und fuhr von dort zum acht Kilometer entfernten Freeway. Bis auf die Richtung, Norden, hatte sie keine genaue Vorstellung, wohin sie eigentlich wollte. Vielleicht an der Küste hoch – der Pazifik wäre ein angenehmer Wegbegleiter. Sie lebte in Los Angeles und glaubte, ohne Zwischenstop bis Kanada kommen zu können. Niemand würde sie dort finden. Bill würde glauben, sie wäre tot. Bei dem Gedanken mußte sie lächeln. Dieser Dreckskerl – laß ihn schwitzen.
    Bill war einer der Gründe, weshalb sie weglief.
    Nicht der einzige, und auch nicht der entscheidende.
    Während der Fahrt kurbelte Teresa das Fenster runter. Der eisige Regen, den der Fahrtwind ins Wageninnere blies, hätte sie eigentlich vor Kälte zittern lassen müssen, doch ihr war heiß; sie schwitzte, als ob sie Fieber hätte. Der Wind und der Regen fühlten sich gut an auf ihrer Haut, außerdem würde sie auf diese Weise wach bleiben. Sie warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett – 23.06 Uhr. Die Sonne würde erst aufgehen, wenn sie San Francisco hinter sich gelassen hätte. Plötzlich wurde ihr klar, daß sie früher oder später eine Pause würde einlegen müssen.
     
    Teresa war nur noch wenige hundert Meter vom Freeway entfernt, als sie die beiden Anhalter sah. Sie waren ein interessantes Paar, selbst wenn man nur flüchtig hinschaute. Der Typ war ganz in Weiß gekleidet und hatte einen wilden blonden Haarschopf. Das Mädchen war dünn und blaß und hatte hüftlange schwarze Haare. Die beiden standen ohne Schirm im strömenden Regen. Später sollte Teresa klar werden, daß sie gerade deswegen angehalten hatte; normalerweise nahm sie keine Fremden mit; dies war das erste Mal.
    Teresa trat auf die Bremse und kam ungefähr zwanzig Meter hinter den beiden zum Stehen. Der Mann kam auf den Mazda zugeeilt, eine längliche grüne Stofftasche in Händen. Teresa lehnte sich nach rechts hinüber und kurbelte das Beifahrerfenster runter. Er schob seinen Kopf ins Wageninnere.
    »Kannst du uns mitnehmen?« fragte er.
    »Klar.«
    »Wohin fährst du?«
    »Nach Norden.«
    »Gut.« Er trat einen Schritt zurück und rief seine Begleiterin. »Los, komm!«
    Die junge Frau trottete gemächlich auf den Wagen zu. Sie trug eine weiße Hose und einen durchweichten schwarzen Ledermantel. Ihre schwarzen Stiefel reichten bis fast an die Knie. Sie sah ziemlich gut aus, genau wie der Mann. Teresa fragte sich, weshalb ein solches Pärchen in einer lausigen Regennacht wie dieser per Anhalter durch die Gegend fuhr. Beide waren etwas älter als die achtzehnjährige Teresa.
    »Beeil dich!« rief der Typ ungeduldig.
    »Ich komm ja schon«, entgegnete die Frau.
    Erneut schob der Mann
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