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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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[13] EINLEITUNG
    DIE WELT DER KREUZZÜGE
    V or 900 Jahren führten die Christen Europas eine Reihe von heiligen Kriegen gegen die muslimische Welt, die sogenannten Kreuzzüge. Sie kämpften um die Herrschaft über eine Region, die beiden Religionen heilig ist: das Heilige Land. Durch diese blutigen Kämpfe, die über zwei Jahrhunderte wüteten, nahm die Geschichte der islamischen Welt wie des Abendlands eine grundlegend neue Richtung. Im Verlauf dieser Feldzüge durchquerten Hunderttausende von Kreuzfahrern weite Teile der damals bekannten Welt, um einen schmalen Streifen Landes zu erobern und anschließend zu verteidigen, in dessen Zentrum die Heilige Stadt Jerusalem lag. Angeführt von Männern wie Richard Löwenherz, dem englischen Krieger-König, und Ludwig IX. von Frankreich, genannt der Heilige, erlebten die Kreuzfahrer zermürbende Belagerungen und mörderische Schlachten; sie durchquerten Wälder und Wüsten, litten an Hunger und Krankheit, begegneten den sagenumwobenen Kaisern von Byzanz und den angsteinflößenden Tempelrittern. Wer bei dieser Unternehmung den Tod fand, galt als Märtyrer, und die Überlebenden stärkte der Glaube, ihre Seelen hätten in der Hitze des Kampfes und durch die Strapazen des Pilgerns für ihre Sünden gebüßt.
    Die Ankunft der ersten Kreuzfahrer zwang die islamische Seite zu handeln und ließ die Idee des Dschihads, des heiligen Krieges, wieder lebendig werden. Muslime aus Syrien, Ägypten und dem Irak kämpften mit dem Ziel, ihre christlichen Feinde aus dem Heiligen Land zu vertreiben – angeführt von dem gnadenlosen Kriegsherrn Zangi und dem mächtigen Saladin, bestärkt durch den Aufstieg des Sultans Baibars und seiner Mamluken, der Elitetruppe aus Sklaven-Soldaten, von Zeit zu Zeit auch unterstützt durch die Machenschaften der grausamen Assassinen. Die fortwährende Konfrontation brachte es unvermeidlich mit sich, dass man miteinander in Berührung kam, einander zeitweise sogar grollend [14] respektierte und, während die Waffen ruhten, auch friedliche Kontakte knüpfte und miteinander Handel trieb. Doch die Konfliktherde hörten nicht auf zu brennen, und das Blatt wendete sich langsam zugunsten des Islams. Während die Christen weiter von einem Sieg träumten, gewann die muslimische Welt die Oberhand und errang auf Dauer die Vorherrschaft über Jerusalem und den Vorderen Orient.
    Diese dramatische Geschichte hat schon immer die Phantasie beflügelt und Diskussionen angeheizt. Über Jahrhunderte waren die Kreuzzüge Gegenstand verblüffend unterschiedlicher Interpretationen: Sie wurden herangezogen als Beweis für den Wahnsinn religiöser Überzeugungen und die Grundschlechtigkeit der menschlichen Natur, aber auch als triumphaler Beleg für christliche Ritterlichkeit und die zivilisierende Kraft des Kolonialismus. Sie wurden dargestellt als eine düstere Episode der europäischen Geschichte, als beutegierige Barbaren aus dem Westen ohne Anlass über die hochzivilisierte Welt des Islams herfielen, oder verteidigt als gerechte Kriege, ausgelöst durch muslimische Aggression und geführt mit dem Ziel, ursprünglich christliches Gebiet zurückzuerobern. Die Kreuzfahrer selbst wurden als Rohlinge dargestellt, denen es einzig um die Eroberung von Land gegangen sei, oder als von heiligem Eifer erfüllte Pilger-Soldaten; und in ihren muslimischen Gegnern sah man lasterhafte, tyrannische Unterdrücker, glühende Fanatiker oder den Inbegriff von Frömmigkeit, Ehre und Mildtätigkeit.
    Auch als Spiegel der modernen Welt mussten die Kreuzzüge herhalten, indem man prekäre Vergleiche zwischen aktuellen Ereignissen und der fernen Vergangenheit anstellte oder zweifelhafte historische Parallelen zog. So diente im 19. Jahrhundert die Erinnerung an die Kreuzzüge den Franzosen und Engländern dazu, sich ihres imperialen Erbes zu versichern, während im 20. und 21. Jahrhundert bei einigen Gruppen der muslimischen Welt eine zunehmende Tendenz erkennbar ist, politische und religiöse Auseinandersetzungen der Moderne mit den heiligen Kriegen zu vergleichen, die vor neun Jahrhunderten ausgetragen worden sind.
    Dieses Buch erkundet die Geschichte der Kreuzzüge sowohl aus christlicher als auch aus muslimischer Perspektive. Es konzentriert sich vor allem auf den Kampf um die Herrschaft über das Heilige Land, und es untersucht, wie die mittelalterlichen Zeitgenossen die Kreuzzüge erlebten [15] und erinnerten. * Es stützt sich auf den wunderbar reichen Bestand an uns zur Verfügung stehenden
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