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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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einen Stein gelöst, der in den Abgrund fiel. Mia wartete auf das Geräusch, auf den Aufschlag in der Tiefe, doch es war nichts zu hören.
    Â»Es tut mir leid«, sagte Noah nur.
    Panik flutete ihren Körper. Ihre Sinne schärften sich: Sie spürte einen scharfen Stein, der sich in ihre Fußwölbung drückte, schmeckte das Salz, das der Wind vom Ozean herübertrug, hörte das Geräusch ihrer Füße auf dem Weg zum Rand der Klippe.
    Â»Mia, nein!«
    Doch da war sie schon an seiner Seite und zwang sich dazu, nach unten zu schauen. Ihre Zehen berührten den Saum der Klippe, das Mondlicht glitzerte auf ihren Zehenringen. Zentimeter vor ihren Füßen endete die Klippe und begann das Nichts. Die Dunkelheit verbarg die wahre Tiefe, doch Mia konnte die gespenstischen Schatten der Felsen sehen, an denen sich die Wellen brachen.
    Sie hatte alle Karten ausgespielt, bis auf eine: »Wenn du das tust, Noah, tue ich es auch.« Langsam hob sie den Kopf und wandte sich ihm zu. Seine Lippe war aufgesprungen, auf seinen Wangen klebte trockenes Blut.
    Â»Sei nicht dumm!«
    Sie hielt sich sehr ruhig und kämpfte gegen die Angst an, die in ihr aufstieg.
    Â»Geh vom Rand zurück!«
    Â»Erst du, dann ich.«
    Â»Du bluffst doch nur.«
    Â»Du weißt, das tu ich nicht.« Langsam zog sie seinen Abschiedsbrief aus ihrer Tasche und hielt ihn zwischen sich und Noah. »Das hier hast du nie geschrieben. Du bist niemals hergekommen. Hier, nimm ihn. Dann gehen wir. Und diese Nacht hat es nie gegeben.«
    Sie wartete. Ein kühler Luftzug umspielte ihre Hand und ließ die Seite flattern. »Nimm ihn, Noah.«
    Die Zeit schien stillzustehen. Die Welt schrumpfte auf die Größe einer Klippe, auf zwei Menschen an deren Rand. Mia hörte rasche Atemzüge, bis sie merkte, dass es ihre waren. Schweiß sammelte sich auf ihrer Oberlippe. Sie drängte Noah in Gedanken, den Brief aus ihrer Hand zu nehmen, dies hier zu beenden.
    Dann bewegte sich die Luft. Noah hob den Arm. Seine Finger streckten sich dem Brief entgegen. Mia spürte, wie sie losließ und ihre Hand sich entspannte.
    Die Erleichterung setzte augenblicklich ein. Die Anspannung wich aus ihren Beinen, und ihre Knie gaben nach: nur wenig, doch es war genug, dass sich ihr Körper ein paar Zentimeter nach vorn neigte. Die Zeit dehnte sich. Sie riss ihren Arm in die Höhe, suchte Halt und fand nur Dunkelheit und Leere. Durch diese Bewegung kippte ihr Oberkörper weiter nach vorn, und sie begann mit dem anderen Arm zu rudern. Ihre Armbänder klimperten: ein Windspiel, der Laune des Windes ausgeliefert.
    Ihr Gewicht verlagerte sich auf die Ballen, ihre Fersen lösten sich vom Boden, bis sie auf den Zehenspitzen stand. Sie hörte, wie die Steine knirschten, als Noah zu ihr stürzte, spürte, wie seine Finger nach ihr griffen.
    Sie sah, es war zu spät.
    Sie wusste, dass er ihren Namen rief, doch da war sie schon sehr weit fort. Sie spürte den kühlen Luftstrom, sah das Funkeln der Sterne, hörte den hypnotischen Ruf der Wellen, als sie, so leicht wie eine Träne, auf sie zufiel.

Kapitel 33
Katie
Bali, August
    Das Blut rauschte ihr in den Ohren. All die Monate war sie einer Lüge nachgereist! »Mia ist gestürzt?«
    Â»Ja«, sagte Noah.
    Â»Aber die Augenzeugen –«
    Â»Haben ausgesagt, was sie sehen konnten . Von unten, vom Aussichtspunkt aus, kann man nicht alles überschauen. Und ich hatte dunkle Sachen an, oder vielleicht befand ich mich nicht in ihrem Blickfeld.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber die Polizei?«
    Â»Es hat hier tatsächlich mehrere Selbstmorde gegeben. Für die Polizei war damit wohl alles klar.«
    Â»Und das hast du nie richtiggestellt? Du hast uns alle glauben lassen –«
    Â»Ein gutes Dutzend Leute war dabei, als ich meinen Bruder zusammengeschlagen und dann auch noch Mia zu Boden gestoßen hab. Wenn ich der Polizei erzählt hätte, was wirklich passiert ist, das hätte mir doch niemand mehr geglaubt!«
    Â»Ich hab gedacht, sie hat sich umgebracht!« Katies Stimme klang schroff vor Fassungslosigkeit. »Ich hab es in Gedanken immer und immer wieder durchgespielt und mich gefragt: Was hätte ich tun können? Wie hätte ich ihr eine bessere Schwester sein können?«
    Â»Es tut mir leid. Alles. Es tut mir so leid.«
    Eine Leuchtrakete zündete. »Das warst du. Du hast die Blume zu Mias
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