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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr
Autoren: Marie Hoehne
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1. KAPITEL

    3 83 Tage und Nächte. Vor allem die Nächte. Es waren einsame Nächte. Ganz besonders diese viel zu stillen Winternächte, auf die die langsam wärmer werdenden Nächte des Frühlings und schließlich die viel zu heißen Nächte des Sommers folgten. Der Sommer, in dem ich endlich meine Sachen packen und gehen konnte: Fort aus Parkerville, fort von den Erinnerungen, fort von der Hoffnung, dass er zurückkommen würde.
    Denn er kam nicht.
    Ich war nicht die einzige, die hoffte.
    Ich konnte es ganz deutlich an Nellys Gesichtsausdruck sehen, manchmal, wenn wir uns zufällig in Dottis Tante-Emma-Laden über den Weg liefen oder Mom sie nach langem Hin und Her dazu überreden konnte, den Nachmittag bei uns auf der Farm zu verbringen.
    Reden taten wir nicht. Zu schmerzhaft war der Verlust, zu tief saßen die Wunden.
    Hatte Nelly nicht noch so viel mehr verloren als ich? Jordan, Nicholas, Daniel und Sam. Doch konnte man Schmerz wirklich aufwiegen?
    Ich starrte hinaus in die Dunkelheit der glitzernden Metropole und lauschte auf das Geräusch vorbeifahrender Autos.
    "Willst du da festwachsen, Lily? Wir haben noch Kundschaft." Pats tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er stand brummend hinter dem Tresen und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen argwöhnisch an.
    "Ich geh schon." Widerwillig riss ich mich vom Anblick der vielen tausend Lichter los und wandte mich einem Tisch mit fünf angeheiterten jungen Männern zu. Ich mochte es nicht, wie sie mich ansahen, doch ich riss mich zusammen und fragte: "Was kann ich euch denn noch bringen?"
    "Eine Runde für alle nochmal… und…" Ein großer blonder Kerl lachte laut, während seine Freunde wie kleine kichernde Mädchen die Köpfe zusammen steckten. "Deine Nummer."
    Ich ignorierte ihn gekonnt und gab Pat ein Zeichen. Dann ließ ich mich seufzend auf einen der ramponierten Barhocker fallen, während ich dabei zusah, wie Pat das Bier langsam aus dem Zapfhahn in die leeren Gläser laufen ließ.
    "Du musst ein bisschen mehr mit der Kundschaft flirten, dann bekommst du auch mehr Trinkgeld." Er sah mich auffordernd an.
    "Ich verzichte", gab ich zurück.
    "Ach komm schon, Lily, du könntest dich ruhig mal ein bisschen locker machen. Ich hab noch nie eine so spaßbefreite Neunzehnjährige getroffen." Er stellte die fünf Bierkrüge auf ein Tablett, und ich erhob mich widerwillig, um sie zu dem Tisch hinüber zu tragen.
    "Ich habe einfach keine Lust, auf dumme Sprüche."
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Pat mir kopfschüttelnd nachsah, während ich das Bier vor den Männern auf den Tisch stellte und dann schnell im Hinterzimmer verschwand, bevor noch einer der vermeintlichen Spaßvögel auf andere dumme Gedanken kam.
    Es war kurz nach Mitternacht. Pat würde bald den Laden schließen, und ich konnte endlich meine Schicht beenden und zurück ins Wohnheim fahren.
    Morgen war Freitag, ein langer Tag mit Vorlesungen und Seminaren lag vor mir, und ich wusste, dass ich wieder einmal nicht genügend Schlaf bekommen würde.
    Vanessa hingegen würde sicher schon selig vor sich hin schnarchen, wenn ich zurückkam, und ich würde wieder einmal auf Zehenspitzen durch das Zimmer schleichen müssen.
    Trotzdem war ich froh, dass sie es war, mit der ich auf dem College zusammen wohnen konnte. Wie hätte ich mein unsoziales Verhalten auch einem Fremden erklären sollen? Wie hätte ich jemandem verständlich machen sollen, was im vergangenen Jahr im beschaulichen Parkerville passiert war?
    Dass mein Freund quasi direkt vor meinen Augen sein Leben verloren, und es gegen eine unsterbliche Hülle eingetauscht hatte. Dass ich Benjamin hatte sterben sehen, ebenso wie so viele andere, die ich viel zu wenig gekannt hatte und wofür ich mir auch irgendwie die Schuld gab. Wieso hatte ich mich nicht mehr bemüht? Wieso war ich so ignorant gewesen? Weg, immer nur weg hatte ich gewollt. Dabei hatte ich mich in Parkerville das erste Mal richtig geliebt gefühlt. Von ihm. Sam.
    Dass Vanessa überhaupt hier war, bei mir, in New York, grenzte nahezu an ein Wunder. Ihre Eltern hatte nach einer ziemlich üblen Scheidungsschlacht kein Geld mehr für ihre Ausbildung übrig gehabt. Die Anwaltskosten hatten sie fast in den Ruin getrieben.
    Zu allem Überfluss lief die Autowerkstatt ihres Vaters nur noch mehr schlecht als recht, nachdem sich die Hälfte der weiblichen Bevölkerung Parkervilles auf die Seite ihrer Mutter geschlagen hatte und nun lieber 15 Kilometer weiter in den Nachbarort fuhr, um ihr Auto
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