Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
Vom Netzwerk:
Beerdigung geschickt.« Sie sah die weiße Mondorchidee mit der blutroten Mitte wieder vor sich, in ihren zitternden Händen, als sie Finn geohrfeigt hatte.
    Â»Ja.«
    Â»Mit einer Karte: Es tut mir leid .«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.«
    Â»Mein Gott«, sagte Katie ruhig. Doch in ihrem Innern hallten Noahs Worte nach. Ihr war schwindelig, sie drückte eine Hand an die Brust, ihr Herz schlug rasend schnell. Sie stand nah am Rand der Klippe, Noah neben ihr. Ihr Kleid flatterte im Wind. Sie bekam eine Gänsehaut.
    Â»Mia hat mich angerufen«, sagte sie plötzlich, »am Tag vor ihrem Tod. Das war die letzte Gelegenheit, mit meiner Schwester zu sprechen. Und ich habe furchtbare Dinge zu ihr gesagt.«
    Sie schloss die Augen. Wenn ich dieses Gespräch noch einmal führen könnte, Mia, dann würde ich dir sagen, wie sehr ich dich immer bewundert habe. Für deine Entschlossenheit und deine Stärke. Deine Fähigkeit, du selbst zu sein, dich von Regeln und Erwartungen nicht einschränken zu lassen.
    Ich würde dir sagen, dass die Tage mit dir die glücklichsten in meinem Leben waren. Fish and Chips am Kai. Wir beide in der Sonne, mit einem Radio. Handstand und Überschlag am Strand.
    Und ich würde mich bei dir entschuldigen. Ich habe niemanden so sehr wie dich geliebt, aber manchmal habe ich auch niemanden so sehr gehasst. Und ich bereue das. Ich glaube, ich war eifersüchtig. Ich wollte so kühn und abenteuerlustig sein wie du, aber ich habe mich von meinen Ängsten lähmen lassen.
    Wenn ich dieses Gespräch noch einmal führen könnte, würde ich dir selbstverständlich Geld geben. Ich würde spüren, dass du in einer Notlage bist, und dir helfen. Und dann würde ich dir sagen, dass ich dich liebe. Dass ich nichts lieber als deine Schwester bin.
    Aber ich habe nichts von alledem getan. Und jetzt ist es zu spät …
    Tränen strömten über ihr Gesicht.
    Â»Katie …«, sagte Noah.
    Â»Es lässt sich nie wiedergutmachen. Wie sehr muss sie mich gehasst haben.«
    Â»Nein, das hat sie nicht«, sagte er. »Das weiß ich sicher. Mia hat oft von dir gesprochen. Sie hat mir von Cornwall erzählt. Wie sie mit dir aufgewachsen ist. Mit dir die Sommer am Strand verbracht hat. Porthcray, oder?«
    Katie wischte sich die Tränen ab und nickte.
    Â»Weißt du, wo ich sie das erste Mal gesehen hab? Im Meer. Sie hat völlig reglos im Wasser getrieben. Weil ihr beide das früher wohl getan habt – um dem Meer zu lauschen, hat sie mir erzählt.«
    Katie lächelte. Daran hast du dich erinnert?
    Â»Es gibt da etwas, was du sehen solltest.« Er griff in seine Tasche und zog vorsichtig einen gefalteten Zettel heraus. »Wenn du Mias Tagebuch gelesen hast, hast du ja gemerkt, dass am Ende eine Seite fehlt.«
    Â»Ja.« Aber woher wusste er das?
    Â»Als ich in Mias Zimmer gegangen bin, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen – wohl so was wie einen Abschiedsbrief –, hatte ich kein Papier. Da hab ich ihr Tagebuch gesehen. Es hat aufgeschlagen dagelegen, auf einer leeren Seite. Und auf die habe ich geschrieben.« Er faltete ein cremefarbenes Blatt auseinander und gab es Katie.
    Das Papier war brüchig und zerknittert. Im Mondlicht konnte Katie Noahs gehetzte Botschaft erkennen.
    Â»Ich hab es damals nicht gemerkt, aber auf der Vorderseite hat schon was gestanden. Schau doch mal.«
    Sie drehte Noahs Brief mit dem ausgefransten Rand, der später genau in das Tagebuch passen würde, um. Die Seite flatterte im Wind, Katie hielt sich daran fest.
    Â»Hier.« Er zog eine dünne Taschenlampe aus der Hose und richtete den Strahl auf die Seite.
    Katie brauchte eine Weile, bis sich ihre Augen an das Licht gewöhnten. Dann erkannte sie am unteren Rand die Worte: So will ich sein . Und auch darüber befand sich eine Zeichnung, ein Profil, doch dieses war nicht mit düsteren Bildern angefüllt, hier war alles hell und klar. Am meisten aber überraschte Katie, dass neben der Zeichnung noch ein Foto klebte.
    Neben dem Gesicht war ein Foto.
    Â»Das bist du, oder?«
    Sie blinzelte. Die glänzende Oberfläche warf das Licht zurück. Katie sah ein Mädchen in einem leuchtend roten Sommerkleid, in der Tasche steckte eine weiße Feder. Mit einer Hand hielt es sich an den Zügeln eines saphirblauen Seepferdchens fest.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher