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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte
Autoren: Lilian Jackson Braun
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der Chefredakteurin.
Qwilleran rief sie zurück und fuhr dann nach Mooseville. Zuerst erledigte er die Formalitäten im Gefängnis, dann ging er ins Northern Lights Hotel zum Abendessen. Er saß allein in seiner Nische und sehnte sich nach seiner Pfeife. Wenn er sich entschließen sollte, die Bedingungen von Fannys Testament anzunehmen, würde er als erstes ein paar Dosen Groat and Boddle Number Five bestellen. Und wenn er den neuen Auftrag beim Fluxion oder beim Morning Rampage annahm, würde er diese beiden Wochen in Moose County bald wie einen Besuch auf einem anderen Planeten sehen. Seine orangefarbene Mütze kam ihm bereits etwas lächerlich vor.
Nach dem Essen fuhr er langsam zurück zur Hütte; bewußt genoß er jedes malerische Birkenwäldchen, jede groteske Strauchkiefer, jeden Blick auf den sturmgepeitschten See, der sich immer wieder unvermutet auftat, wenn die Straße aus dem Wald herausführte. Die ganze Schönheit der Landstraße, die er während der letzten zwei Wochen nicht beachtet hatte, wurde nun zu einer kostbaren Erinnerung, die er sich bewahren wollte. Vielleicht würde er dieses wilde, wunderbare Land nie wieder sehen, und er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach Nordlichtern Ausschau zu halten. Oder nach einem UFO.
Ein Wagen des Sheriffsbüros fuhr mit heulender Sirene an ihm vorbei, gefolgt vom roten Löschwagen der Freiwilligen Feuerwehr. Qwillerans Hals schnürte sich vor Angst zusammen, und er gab Gas. Die Hütte! Das Feuer im Kamin! Die Katzen!
    Als er die Zufahrt zur Klingenschoenschen Hütte erreichte, waren die Feuerwehrmänner mit den Löscharbeiten an einem brennenden Wagen beschäftigt, der in der Nähe der alten Blockhütten-Schule von der Straße abgekommen war. Etliche Autos waren stehengeblieben.
    »Ist jemand verletzt?« fragte er die Zuschauer. Nein, sagten sie. Keine Spur von einem Fahrer, sagten sie. Ein Glück, daß kein Waldbrand ausgebrochen ist, wenn man bedenkt, was für ein starker Wind geht.
    Während Qwilleran die lange Zufahrt hinauffuhr, kam ihm ein entsetzlicher Verdacht. Das verkohlte Wrack hatte ausgesehen wie ein blauer Pick-up.
    Als er den Wagen parkte, hörte er Koko bereits in der Hütte heulen. Als er die Tür aufschloß, stürzte der Kater auf die Veranda und raste wie verrückt von einer Seite auf die andere; er hielt nur inne, um auf den Riegel der Fliegengittertür zu springen.
    Qwilleran suchte rasch das Laufgeschirr und schnallte es dem Kater um den nervös gespannten Bauch. Dann befestigte er die lange Leine daran und öffnete die Tür. Sofort sprang Koko auf den Werkzeugschuppen zu und zwang Qwilleran, mit seinem schmerzenden Bein ebenfalls zu laufen.
    Die Tür des Schuppens stand offen; das war ungewöhnlich. Im Inneren des fensterlosen Gebäudes war es düster, doch Qwilleran konnte am Fußboden Geldscheine herumflattern sehen. Geduckt schlich sich der Kater in den finsteren Teil des Schuppens; ein unheimliches Stöhnen drang tief aus seiner Brust. Ein Windstoß wirbelte weitere Geldscheine auf, und Qwilleran stieß an eine leere Whiskeyflasche. Dann begann Koko zu heulen – es war nicht der übliche Laut, mit dem er seiner Meinung Nachdruck verlieh, sondern ein hohes, langgezogenes Jaulen, Qwilleran zog die durchhängende Leine straffer und ging langsam und vorsichtig ebenfalls in den dunklen Teil des Raumes.
    In der Düsternis sah er einen hellen Fleck. Auf dem Fußboden lag eine kleine Waffe mit einem florentinischen Goldgriff. Die Leiche des Hausburschen lag ausgestreckt auf der schäbigen Pritsche.
    Qwilleran schnappte Koko, humpelte zurück in die Hütte und rief beim Sheriff an. Schon nach wenigen Minuten tauchte das Auto eines Hilfssheriffs auf der Lichtung auf. »Wir waren gleich da unten an der Straße«, sagte der Beamte. »Ein Pickup ist ausgebrannt. Totalschaden. Sieht nach Brandstiftung aus.«
    Nachdem die Leiche mit einer Ambulanz weggebracht worden war, marschierte Koko mit langen, gewichtigen Schritten in der Hütte umher, hierhin und dorthin, ein Bild der Unschlüssigkeit. Yum Yum saß geduckt da und sah ihm besorgt zu.
    Qwilleran stand an den vorderen Fenstern und starrte auf die Wasserfläche, die sich hundert Meilen weit erstreckte. Wer konnte die Stimmungen und die Motive eines armen Teufels wie Tom verstehen? Er hatte so bereitwillig alles getan, was man sagte, war so leicht auszunützen gewesen, hatte sich so über jede Arbeit gefreut, die er bekam, über eine Pastete, selbst über ein freundliches Wort. Fanny
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