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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Dienstag, 14 . März 1922 ,
Landshut, Königsfeldergasse,
Kreszentia und Josef Wurzer,
10 . 15  Uhr nachts
    »In einen solchen brutalen Film bringst mich nicht mehr rein, Josef, das sag ich dir.« Kreszentia Wurzer lag neben ihrem Mann im Bett, die Arme über der Bettdecke verschränkt.
    »Jetzt hab dich nicht so, Zenzerl, war doch alles halb so schlimm.«
    »Du, du bist ja bei der Polizei, da ist das normal, aber ich bin jetzt noch ganz aufgewühlt. Wie der Dolch am Boden gelegen ist und das Blut nur so runtertropft ist.«
    Josef Wurzer drehte sich im Bett zur Seite und sah seine Frau im Halbdunkel an. »Jetzt übertreibst aber, wie kann das Blut runtertropfen, wenn der Dolch am Boden liegt? Tropfen kann’s nur, wenn was in der Höhe ist, deshalb heißt es ja auch heruntertropfen.«
    »Ich übertreib nicht, Josef. In dem Film hat man doch sehen können, wie das Blut auf den Boden runter ist, dann ist es halt nicht getropft, sondern geflossen, wo ist da der Unterschied? Aber weißt, was für mich am schlimmsten war? Wie der Wind die Tür zur Terrasse aufgestoßen hat, als die Gräfin ganz allein im Zimmer war. Und wie sie zur Tür hin ist und sie hat schließen wollen und plötzlich der Mörder vor ihr steht. Wie die da g’schaut hat, das Gesicht ganz groß auf der Leinwand. Die Augen hat s’ aufgerissen. Da ist mir das Blut in den Adern gefroren.«
    »Das hab ich gemerkt, du hast ja auch aufgeschrien.« Josef Wurzer setzte sich im Bett auf und schaltete die Nachttischlampe ein.
    »Ja, das war so echt. Glaubst du, der hat die Gräfin wirklich umgebracht? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man so was so spielen kann.«
    »Jetzt bist aber schon recht naiv. Wenn bei jedem Kriminalfilm die Schauspieler umgebracht würden, dann gäb’s bald keine Schauspieler mehr, und wir wüssten vor lauter Arbeit nicht mehr, wohin.«
    »Ja, aber … so, wie die g’schaut hat und wie sie die Augen aufgerissen hat, das kann man doch nicht spielen.«
    »Zenzerl, das ist denen ihr Beruf, die lernen das. Ich hab gehört, da gibt’s richtige Schauspielschulen dafür. In Berlin, sogar in München gibt’s das. Da lernst, wie du schauen musst, wenn dich einer im Film umbringt. Von der Pike auf lernst du das.«
    »Ach geh, Josef, was du nicht alles hörst. Aber mich hat’s trotzdem gegruselt.«
    Josef Wurzer schaltete die Nachttischlampe wieder aus, konnte jedoch nicht einschlafen.
    »Was ganz was anders. Woher kennst denn du die Platzanweiserin im Zweibrücken?«
    »Die kennst doch du auch, das ist die Schmittner, der alten Frau Schmittner ihre Tochter.«
    »Schmittner? Schmittner? Das sagt mir nichts.«
    »Du bist aber auch ein Patsch, natürlich kennst du sie, Josef, die hat doch mit deiner Mutter immer als Wäscherin gearbeitet, bei der Frau Kommerzienrat Auer.«
    »Und das ist der ihre Tochter? Die hätt ich nicht mehr gekannt. Ist die nicht mit einem Eisenbahner verheiratet?«
    Nun war es Kreszentia Wurzer, die ihrerseits die Nachttischlampe einschaltete und sich im Bett aufsetzte. »Ach, du passt aber schon gar nicht auf! Ihr Schwiegervater war ein Eisenbahner, und verheiratet ist sie auch nicht mehr.«
    »Ist sie Witwe?«
    »Nein, eine Geschiedene ist sie. Die hat so in den Dreck reingelangt, das kannst dir gar nicht vorstellen. Geschlagen hat er sie und ausgeschmiert. Die war keine drei Wochen mit dem verheiratet, da ist sie ihm davongelaufen. Heim zu ihren Eltern.«
    »Und jetzt arbeitet s’ im Zweibrücken als Platzanweiserin?«
    »Und ich glaub, bedienen tut s’ auch noch irgendwo. Der hat Schulden auf ihren Namen gemacht. Das war unglaublich.«
    »So, Zenzerl, jetzt schlafen wir aber, ich bin müde. Die Nacht ist gleich um, und ich muss in der Früh wieder zum Dienst.«
    »Ich weiß aber nicht, ob ich einschlafen kann. Immer wenn ich die Augen zumach, seh ich das Gesicht von der Gräfin.«
    »Dann rutsch halt rüber. Ich halt dich fest, dann kann dir nichts passieren, du bist ja zum Glück mit einem Kriminaler verheiratet.«
    Kreszentia Wurzer schaltete das Licht aus und rutschte über die Besucherritze hinüber ins Bett zu ihrem Mann.
    »Gell, Josef, so was passiert bei uns in Landshut nicht. Das ist nur Kino.«
    »Nein, Zenzerl, da brauchst keine Angst haben, bei uns in Landshut passiert so was nicht, da passen wir schon auf. Und jetzt schlaf.«

Samstag, 1 . April 1922 ,
Polizeipräsidium Landshut,
Kriminaloberwachtmeister Johann Huther,
10  Uhr vormittags
    Zwei Wochen vor Ostern spielte das Wetter in diesem
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