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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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des Schreibtisches, rutschten aufgeregt auf ihren Stühlen hin und her.
    Bertha Beer fing als Erste zu sprechen an. »Also, es verhält sich so, Herr Kommissär …«
    »Kriminaloberwachtmeister«, warf Huther mit einer besonderen Betonung auf »Kriminal« und »ober« ein. Bertha ihrerseits machte mit der Hand eine Bewegung, als würde sie den Einwand wie ein lästiges Insekt wegwischen, und fuhr einfach fort.
    »Ich habe mich bei den beiden Damen Ganslmeier in der Neustadt eingemietet.« Dann eine kleine Pause, in der sie ein wenig affektiert in ihr Taschentusch hüstelte. »Ich bin zurzeit in der Schirmgasse bei meiner Schwester Auguste wohnhaft. Aber das habe ich dem Herrn im Vorzimmer ja schon erzählt. Die Wohnung dort ist arg eng, und da hat es sich gut getroffen, dass das Fräulein Ganslmeier mir ein leerstehendes Zimmer in ihrer Wohnung untervermietet hat. Die Gustl«, sie warf einen Blick auf die neben ihr Sitzende, »ist mit der Clara Ganslmeier gut bekannt, beide sind s’ beim katholischen Frauenliederkreis. Dieser Umstand setzt schon ein gewisses Niveau voraus, und darum hat das Fräulein Ganslmeier uns das Zimmer auch angeboten. Man kann heutzutage ja niemanden mehr trauen, Herr Kommissär.«
    Während Bertha Beer sprach, nestelte Auguste Kölbl am Verschluss ihrer Tasche; ermuntert durch einen kleinen Stups der Schwester, fing nun auch sie zu reden an.
    »Die Bertha und ich, wir haben uns noch am Mittwoch mit der Clara, ich meine, dem Fräulein Ganslmeier, getroffen und das Zimmer in Augenschein genommen.«
    »Kannst ruhig lauter reden, musst nicht so gschamig rumsitzen, der Herr Kommissär kann dich sonst nicht richtig hören«, fiel ihr Bertha Beer ins Wort und fuhr an ihrer Stelle fort.
    »Am 29 . war das, und ausgemacht war, dass wir am nächsten Tag wieder vorbeischauen und die weiteren Modalitäten bereden. Darum sind wir am 30 . März gegen halb sieben am Abend noch mal in der Wohnung vorbei. Wissen S’, ich arbeite nämlich als Kassiererin, da kann ich erst weg, wenn wir zugesperrt und abgerechnet haben. Das geht nicht eher, da war ich eh schon früh dran. Meine Schwester hat mich abgeholt, und wir sind gemeinsam in die Neustadt. Die Haustür unten war offen. Der Gustl hab ich gleich gesagt, dass das so nicht geht! Herr Kommissär, wenn ich spät heimkomm, gerade im Winter, wenn es draußen schon früh dunkel ist, ist mir das nicht geheuer, wenn ein jeder sich in der Nacht im Stiegenhaus herumtreiben kann. Jeden Tag kann man in der Zeitung lesen, was so alles passiert in der Welt. Es ist schrecklich, und ich weiß nicht, wo das noch hinführt. Und unsere Regierung? Nichts machen die Herren, nichts.«
    Auguste Kölbl nickte leicht, und ihre Schwester erzählte sogleich weiter.
    »Wir sind dann hinauf in die dritte Etage, gleich unter dem Dach, und haben an der Wohnungstür geklingelt. Aber in der Wohnung hat sich nichts gerührt. Mucksmäuschenstill war’s, und als auch nach mehrmaligem Klingeln keiner aufgemacht hat, sind wir unverrichteter Dinge wieder gegangen. Verstimmt war ich schon, da hätte ich mich nicht so hudeln brauchen mit der Abrechnung, wenn eh keiner daheim ist.«
    »Ich hab mir gedacht, die Clara wird sich halt verspätet haben, das hab ich auch so meiner Schwester, der Bertha, gesagt.«
    Auguste Kölbl sprach so leise, dass der Beamte sich schwertat, ihr zu folgen.
    »Die Clara hatte mir am Nachmittag ausrichten lassen, dass sie einspringen muss bei der rhythmischen Sportgymnastik, für die Frau Esslinger, die macht sonst immer die Klavierbegleitung. Aber wegen einem Trauerfall in der Familie ist die Esslinger ausgefallen, und die Clara war so nett, die Stunde zu übernehmen. Deshalb hab ich geglaubt, sie wird halt nicht rechtzeitig von dort weggekommen sein. Sie ist in solchen Dingen immer sehr akkurat.«
    Huther fühlte sich noch immer um keinen Deut besser. Ihm dauerte das ganze Gespräch bereits zu lange, er fing an, ungeduldig zu werden, er hatte weder Lust noch Muße, seine Zeit so zu vergeuden.
    »Meine Damen, könnten Sie sich bitte etwas kürzer fassen! Wir wollen doch heute noch fertig werden, oder?«
    Bertha Beer sah ihn tadelnd an. Ihr Nasenrücken war sehr schmal, die Augen zu eng beieinander, beides verlieh ihrem Gesicht etwas Vogelartiges. Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf, Huther kam es vor, als plusterte sie sich auf, um größer zu erscheinen.
    »Gestern, am Freitag, haben wir es dann wieder versucht. Gleich nach der Arbeit hatte ich mich mit der Gustl
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