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Die Stunde des Tors

Die Stunde des Tors

Titel: Die Stunde des Tors
Autoren: Alan Dean Foster
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I
    Jon-Tom zögerte benommen taumelnd am Kopf der Treppe. Alles war falsch, das wußte er. Der falsche Ort, die falsche Zeit. Er stand nicht vor dem Eingang zu diesem sonderbaren fremden Ratsgebäude in einer Stadt namens Polastrindu. Ein einmeterfünfundsechzig großer Otter mit grüner Spitzkappe und farbenfroher Kleidung blickte nicht neugierig zu ihm herauf. Eine brillentragende, zweibeinige männliche Schildkröte starrte ihn nicht säuerlich an und wartete darauf, daß er wieder zu Sinnen kam, damit sie sich daran machen konnten, die Welt zu retten. Ein enormer, außergewöhnlich häßlicher Fledermäuserich schwebte nicht in seiner Nähe in der Luft.
    Traurigerweise veränderten diese Behauptungen nicht die Realität.
    »Na, na, Kumpel«, erkundigte sich Mudge, der Otter, »du wirst doch jetzt nicht kotzen, wa?«
    »Tut mir leid«, murmelte Jon-Tom Meriweather. »Vor mündlichen Prüfungen wird mir immer leicht übel.«
    »Sei guten Mutes, mein junger Freund«, sagte der Hexer Clodsahamp. Er tippte sich gegen den Brustpanzer. »Ich werde das notwendige Reden übernehmen. Du bist hier, um dem, was ich sage, größere Glaubwürdigkeit zu verleihen, nicht um zu reden. Komm jetzt. Die Zeit verrinnt, und die Welt treibt weiter der Katastrophe entgegen.« Er watschelte durch das Portal. Wie stets seit den vielen Wochen seines Hierseins blieb dem aus seiner Welt gerissenen Jon-Tom nur übrig, verzweifelt zu hoffen, daß Clodsahamp ihn nach Beendigung der Krise zurückversetzen würde, und ansonsten der Führung des Schildkröterichs zu folgen.
    Im Innern des Rathauses marschierten sie an Schreibern, Kanzlisten und anderen Stadtbediensteten vorbei, die sie alle mit ihren neugierigen Blicken verfolgten. Das Gebäude war alt und bestand aus Stein und glänzend poliertem Holz.
    Zwei Diskussionsgruppen unterbrachen ihre Debatte, als der Trupp an ihnen vorüberkam. Offensichtlich wußte jeder in Polastrindu, wer sie waren, oder zumindest, daß sie den Drachen kontrollierten, der vergangene Nacht fast die Stadt niedergebrannt hätte.
    Dann ging es eine Doppeltreppe hoch, Clodsahamp keuchte schwer in dem Bemühen, mit den anderen Schritt zu halten. Dann gingen sie durch eine Buckelholztür mit einem herrlichen schwarzgelben Pfauenaugenmuster und betraten einen kleinen Raum.
    Dort stand auf einem Podest ein gerader, langer Tisch. Rechts, in der Nähe der Tür, saß ein bebrillter Tigerkater hinter einem kleinen Zeichentisch. Er trug Hemd, Shorts, Stiefel und eine sonderbare flache Kappe, alles im gleichen Braun. Der Federkiel, mit dem er auf eine Pergamentrolle schrieb, war durch Holzarme mit sechs entsprechenden Schreibgeräten verbunden, die über einem weit größeren Tisch und sechs Rollen hingen - ein raffinierter Mechanismus, der es dem Schreiber erlaubte, gleichzeitig ein Original und sechs Kopien anzufertigen. Ein Assistent, ein Wolfsjunges, stand wartend schräg hinter ihm, um das Pergament aufzurollen oder auszutauschen und Tinte nachzufüllen.
    Hinter dem Tisch auf dem Podest saß der Großrat der Stadt, des Bezirks und der Großprovinz von Polastrindu, dem größten und einflußreichsten politischen Gebilde der Warmlande.
    Jon-Tom musterte die Stadträte. Ganz links saß ein geckenhafter Präriehund, der dünne Seide mit Spitzenbesatz, eine Halskette und einen großen Goldring im rechten Ohr trug. Daneben eine rosagekleidete Zieselfrau von gewaltigem Körperumfang, die die zu erwartende dunkle Sonnenbrille trug. Dieses gewaltige weibliche Wesen repräsentierte wahrscheinlich die nachtlebenden Bürger der Stadt. Jons Blick huschte ungeduldig über die meisten der anderen hinweg.
    Es gab nur zwei wirklich bemerkenswerte Persönlichkeiten am Tisch: Am äußersten rechten Ende saß ein großer, streng, fast düster gekleideter Marder. Wenn auch nicht direkt eine Uniform, so war sein Anzug doch sehr militärisch schwarz und blau, silberne Epauletten auf den Schultern und an Rangabzeichen erinnernde Streifen an den Ärmeln. Gurte mit vielen kleinen Stiletten überkreuzten sich vor seiner Brust in einem tödlichen X. Seine Kleidung war so makellos sauber, daß sie, wie Mudge flüsterte, mit einem schmutzabweisenden Zauber belegt sein mußte.
    Seine Haltung entsprach seinem Äußeren. Er saß kerzengerade auf seinem niedrigen Stuhl, sein langer Oberkörper beugte sich nicht einmal leicht über den Tisch. Auch schien er weit aufmerksamer als die anderen Ratsmitglieder.
    Jon-Tom versuchte, ihre jeweilige Haltung zu
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