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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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DAS ERSTE KAPITEL

der römischen Geschichte bestätigt wieder einmal verblüffend das Sprichwort »Rom ist nicht an einem Tage erbaut«. Aber es sieht am Schluß des Kapitels schon recht nett aus und hat auch bereits allerlei hinter sich: sieben Könige, den Raub der Sabinerinnen, die Cloaca maxima und den nie ganz aufgeklärten Diebstahl der griechischen Mythologie.

    Ein Volk, das auf sich hält, hat seine Anfänge im Dunkel der Geschichte, um eines Tages daherzukommen wie Lohengrin mit dem Schwan. Uns Germanen mangelt diese Feinheit. Soviel man auch im Lexikon nachschlagen mag, immer saßen wir in den norddeutschen Tiefebenen und in Skandinavien. Kein Schwan weit und breit. Wir saßen einfach da, vor uns griffbereit einen Liter Met in einem Topf der »schnurkeramischen Becherkultur«, damit spätere Germanisten es einmal leichter mit der Datierung haben würden. Wie jedermann einsehen wird, ist das ein magerer Anfang.
    Zu dieser Zeit, um 950 vor Christus etwa, schaukelte ein Boot auf den Wellen des Mittelmeeres in Richtung Italien. Glückliches Rom! Halt ein mit der Schnurkeramik, das ist jetzt zweitrangig, hier kommt dein Begründer! Es sind die Äneasse, Vater und Sohn, die sich aus dem brennenden Troja gerettet haben und nun nach zweihundertjähriger Irrfahrt am Gestade von Latium landen.
    König Latinus selbst empfing sie. Er weidete gerade seine Ziegen und hatte schon lange den Verdacht, daß sich etwas ereignen würde. Er rief ihnen das bekannte Schillerwort entgegen: »Spät kommt ihr, doch ihr kommt!« Worauf sie antworteten: »Wir hatten Gegenwind. Aber jetzt kann die römische Geschichte beginnen!«
    Doch hier irrten sie.
    Es dauerte noch geschlagene zweihundert Jahre, bis der erste Spatenstich getan wurde, und zwar bekanntlich von Romulus, von dem wir ein vorzügliches realistisches Porträt aus der Renaissance haben: er sitzt als Plastik zusammen mit seinem Zwillingsbruder Remus unter der berühmten »römischen Wölfin« und nimmt gerade sein Frühstück ein.
    Romulus und Remus waren direkte Nachfahren von Äneas junior und der Tochter des Ziegen-Latinus. Aber sie waren etwas mysteriöse Nachkommen, denn einen Mann, der eigentlich — wäre alles mit rechten Dingen zugegangen — ihr Vater hätte sein müssen, gab es nicht. Nur die Mutter war echt: Tochter des guten alten Königs Numitor von Alba Longa (das noch die Äneasse gegründet hatten). Die Königstochter ging eines Tages im Walde so für sich hin und besichtigte gerade eine Grotte, da passierte es: Gott Mars trat aus dem Dunkel, ein Wort gab das andere, und nach neun Monaten erblickten Romulus und Remus das Licht der Welt.
    Das Schlimme war, daß nicht mehr Vater Numitor auf dem Thron saß; sein Bruder, der ein wahrer Herodes gewesen sein muß, hatte ihn verdrängt. Dieser Mensch warf nur einen einzigen Blick auf die stämmigen Zwillinge, um zu wissen, daß sein Thron wackelte. Kurz entschlossen legte er sie in eine Schachtel und warf sie in den Tiber. Dieser jedoch spülte die Kleinen ans Ufer, wo sich eine Wölfin ihrer annahm, wie es diese Tiere eben zu tun pflegen.
    Romulus und Remus gediehen trotz der einseitigen Nahrung prächtig und wurden kräftige Burschen. Sie wechselten alsbald von der Wölfin zu einem Hirten über, was ihnen keine Schwierigkeiten bereitete, da die Wohnverhältnisse sich ähnelten. Ein Vorteil jedoch war unübersehbar: Die Verständigung ging leichter, denn natürlich konnten alle drei Lateinisch.
    Als es an der Zeit war, machten sie sich auf, stießen den betrügerischen Herodes vom Thron und setzten Großvater Numitor wieder ein. Nun waren sie die rechtmäßigen Erben. Aber sie wollten den alten Herrn nicht drängeln, sondern sich anderweitig umsehen.
    Wie Romulus da so auf der Suche nach einem geeigneten Platz neben Remus herging, fand er, daß Zwillinge um fünfzig Prozent überbesetzt seien. Ende gut, alles gut, dachte er und erschlug Remus. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn, nahm einen Spaten und gründete Rom. »Es war am 21. April 753«, sagt Varro.

    *

    Ein ausgezeichnetes Pedigree, wie man sieht. Hier haben wir nun alles, was gut und teuer ist: Die Irrfahrten des Odysseus, Amphion und Zethos, die ausgesetzt werden und Theben gründen, den Moses, der am Ufer gefunden wird, die Ziege Amalthea, die Zeus nährt, und Kain, der Abel erschlägt.
    Auffallend ist die ganz ungriechische Nüchternheit und die völlige Beziehungslosigkeit zu den dämonischen Mächten. Schmucklos und ohne Glanz wird
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