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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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tot. Wenn die Mutter auch noch starb, dann war sie ganz alleine. Die Rente würde wegfallen, und sie war jetzt schon gezwungen, Klavierschüler anzunehmen. Ob das Geld dann ausreichen würde? Sie führte penibel Buch über alle Ausgaben, sparte, wo sie nur konnte. Damit sie für die Esslinger bei der rhythmischen Sportgymnastik einspringen konnte, war sie der Stimmelmeyer Tür und Tor eingerannt.
    Erniedrigend war das, aber ein paar Mark waren es auch. Und wenn sie das Zimmer jetzt vermietete, dann hatte sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
    Das Fräulein Beer war berufstätig und den ganzen Tag nicht hier. Sie würde also nicht viel stören. Sie selbst wäre nicht mehr so angebunden und könnte abends hin und wieder mal in ein Konzert oder vielleicht ins Kino mit dem Hubert. Die Beer wäre ja im Haus und die Mutter somit nicht allein. Und der Hubert, den hätte sie dann auch etwas mehr unter Kontrolle. Die Sache mit der Thea hätte damit auch ein Ende. Dieses ständige Hin und Her, die Finger beider Hände reichten nicht aus, so oft hatte Hubert ihr versprochen, dass nun alles vorbei wäre, und genauso häufig war sie ihm wieder auf die Schliche gekommen. Wenn sie nun mehr Zeit hätte, konnte er nicht mehr aus, manche Dinge erledigen sich von allein.
    »Frau Clara Täuscher, Bürstenfabrikantengattin.«
    Clara lächelte, so schlecht hörte sich das nicht an. Sie musste mit dem Hubert reden, er sollte die Verlobung endlich öffentlich machen. Sie wollte eine große Feier, wie es sich gehörte. Sie hatte es satt, ihre Bekannten sahen sie schon schief an wegen des schlampigen Verhältnisses, und auch der Mutter wollte sie es sagen. Ein jeder, selbst die Thea, wüsste dann, dass beim Hubert nichts mehr zu gewinnen war. Keine Kultiviertheit hatte die Thea, dieser dumme Bauernscherben. Aber naiv schauen konnte sie. Mit Augen, so groß wie ein junges Reh. Clara Ganslmeier war verärgert, wie immer, wenn sie an das Gspusi von Hubert dachte. Hoffärtig bis dorthinaus war die. Was die sich überhaupt einbildete, die Britschn. Ein dahergelaufenes Weiberts war s’. Eine Kontoristin! Ein Büromensch! Pack! Der Hubert und die, unmöglich! Er kam doch aus einem ganz anderen Milieu, aus einer anderen Welt.
    Aber Clara würde ihn schon auf den richtigen Weg bringen, davon war sie überzeugt. Nur einen kleinen Schubser brauchte er, einen kleinen Stoß in die richtige Richtung.
    »Clara, wo bleibst du denn?«
    »Ich bin ja schon hier, Mutter.«
    Clara Ganslmeier stand auf und ging hinüber ins Zimmer zur Mutter.
    »Was hast dich denn so fein gemacht? Bekommst noch Besuch?«
    »Ja, der Hubert kommt vorbei.«
    »Der wer? Ich hab dich nicht verstanden, Kind, du musst lauter sprechen.«
    »Der Hubert!«
    »Der junge Herr von der Bürstenfabrik? Der lernt das Klavierspielen doch nie, so wie der sich anstellt. Der ist nichts für dich, Kind, glaub mir. Du in deinem Alter, du brauchst was Solides, einen vermögenden Witwer. Da ist doch immer dieser feine Herr gekommen. Wie hieß er denn gleich … Der Name liegt mir auf der Zunge, aber ich komm schon noch drauf. Mit so einem Schwiegersohn, da könnt ich endlich in Ruhe die Augen zumachen und braucht mich nicht weiter grämen.«
    »Mutter!«
    »Glaubst, weil ich alt und krank bin, bin ich deppert im Kopf? Und sag deinem Hubert, er braucht mir nicht wieder die Schokoladenpralinees bringen. Die stopfen.«
    »Ja, Mutter, aber er hat’s nur gut gemeint.«
    »Nur gut gemeint – wenn ich das schon hör. Was für Chancen du gehabt hast, Kind! Überlurrt hast es. Du hättest vor dem Krieg nicht so wählerisch sein sollen. Eine der ersten Partien in Landshut bist gewesen. Ich hab’s deinem Vater immer gesagt, aber der hat nicht hingehört, genau wie du.«
    Elsa Ganslmeier zog das Bettjäckchen ein wenig zusammen.
    »Schönheit vergeht, davon kann man nicht runterbeißen im Alter. Und dass du es nicht vergisst, ich brauch noch eine Wärmflasche. Da nimmst am besten die Karlsbader, die hat der Vater eingekauft. Sonst friert mich wieder die ganze Nacht. Ihr jungen Leut, ihr habt ja noch Hitzen, aber komm erst mal in mein Alter.«
    »Mutter, ich muss jetzt los.«
    Clara Ganslmeier zupfte die Bettdecke der Mutter zurecht und nahm das Wasserglas vom Nachttisch.
    Doch Elsa Ganslmeier kümmerte sich nicht darum und sprach einfach weiter.
    »Dein Vater, Gott hab ihn selig, der kam aus einer angesehenen Familie. Der Großvater hatte in München noch unter König Ludwig I. gedient. Zu der Zeit
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