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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte
Autoren: Lilian Jackson Braun
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hinterlassen?« Qwilleran ahmte in einer übertriebenen Pantomime einen Menschen nach, der schreibt. »Lieber Tom bring fünf Halbliterflaschen Scotch und vier Halbliterflaschen Gin. Ich hoffe es geht dir gut. Schönen Tag noch. Alles Gute von deinem Freund Stanley.«
Der Hausbursche fand diesen Unsinn höchst unterhaltsam. Dann wurde er wieder ernster und beantwortete die Frage. »Ich kann nicht lesen. Ich wünschte, ich könnte lesen und schreiben. Das wäre nett.«
Qwilleran war es schon immer schwergefallen den Statistiken über das Analphabetentum in den Vereinigten Staaten Glauben zu schenken, doch hier war ein lebendes Beispiel dafür, und während er sich bemühte, diese Tatsache zu akzeptieren, läutete wieder das Telefon.
»Hallo, Qwill«, sagte eine Stimme, die er schon sein ganzes Leben kannte. »Wie steht's da oben?«
»Gut, Arch. Hast du meine Briefe bekommen?«
»Ich habe zwei gekriegt. Wie ist das Wetter?«
»Du rufst doch nicht an, um dich nach dem Wetter zu erkundigen, Arch. Worum geht's?«
»Tolle Neuigkeiten, Qwill! Du wirst einen Brief von Percy bekommen, aber ich dachte, ich bereite dich schon mal darauf vor. Dieser Auftrag, von dem ich dir erzählt habe – die Enthüllungsreportagen – Percy will, daß du sofort zurückkommst und anfängst. Wenn der Rampage uns damit zuvorkommt, trifft Percy der Schlag. Du weißt, wie er ist.«
»Hmmm«, sagte Qwilleran.
»Du bekommst das doppelte Gehalt und ein unbeschränktes Spesenkonto. Und einen Dienstwagen, auch für den Privatgebrauch – einen neuen. Was sagst du dazu?«
»Ich frage mich, was der Rampage wohl bietet?«
»Mach keine dummen Witze. Du bekommst Percys Brief in ein paar Tagen, aber ich wollte der erste sein, der...«
»Danke, Arch. Ich weiß es zu schätzen. Du bist ein guter Kerl. Schade, daß du Redakteur bist.«
»Und noch etwas, Qwill. Ich weiß, du wirst eine neue Wohnung brauchen, und Frau Unger gibt ihre auf, weil sie heiratet. Sie ist nicht weit von der Redaktion entfernt, und die Miete ist recht günstig.«
»Und an den Wänden sind Tapeten mit rosa Rosen und galoppierenden Giraffen.«
»Überlege es dir trotzdem. Bis bald dann. Grüß den unheimlichen Kater von mir.«
Qwilleran war von dem Schock und der Freude ganz schwindlig, doch Tom war am Aufbrechen, und er mußte ihm nochmals danken. Er nahm das alte Tintenfaß aus Messing von der Theke. »Ich möchte Ihnen etwas schenken, Tom. Es muß poliert werden, aber ich weiß, Sie mögen Messing. Es ist ein Tintenfaß, das vor hundert Jahren auf Segelschiffen um die Welt gefahren ist.«
»Das ist sehr schön. So etwas habe ich noch nie gehabt. Ich werde es jeden Tag polieren.«
Der Hausbursche maß das zerbrochene Fenster ab und fuhr nach Mooseville, um Glas zu kaufen, während sich Qwilleran hinsetzte, um über das Angebot des Fluxion nachzudenken. Jetzt, wo er von diesem schönen Flecken wegging, empfand er nichts als Bedauern. Er hätte viel mehr Zeit draußen im Grünen verbringen, die Stimmungen des Sees genießen und das Glitzern der Tautropfen auf einem Spinnennetz bewundern sollen. Jetzt konnte er sich nur auf den täglichen Ärger in der Redaktion freuen: auf die rosa Mitteilungen von Percy; die elektrischen Bleistiftspitzer, die immer kaputt waren; auf sechs Aufzüge, die immer nach oben fuhren, wenn man hinunter wollte; Bildschirmgeräte, die die Arbeit erschwerten, statt sie zu erleichtern. Plötzlich merkte er, wie sehr ihm sein Knie schmerzte.
Er legte das Bein auf eine Liege. Von der Rückenlehne eines Sessels in seiner Nähe, auf der einst ein Falke gesessen hatte, wurde er von einem Paar blauer Augen in einer braunen Gesichtsmaske aufmerksam beobachtet.
»Nun, Koko«, sagte Qwilleran, »unsere Ferien sind nicht so gelaufen, wie wir erwartet haben, nicht wahr? Aber die Zeit war nicht vergeudet. Wir haben ein Ein-MannVerbrecherunternehmen aufgedeckt. Schade, daß wir ihn nicht erwischt haben, bevor er Buck Dunfield umbrachte... Schade, daß niemand hier je wissen wird, daß alles dir zu verdanken ist. Selbst, wenn wir es ihnen sagen würden, sie würden es nicht glauben.«
Das Heulen des Windes und das Tosen der Brandung übertönte das Geräusch des Goodwinter-Autos, das auf die Lichtung fuhr. Qwilleran humpelte hinaus, um die beiden Ankömmlinge zu begrüßen – Alexander wirkte makellos gepflegt, und Penelope strahlte und schien ein klein wenig zu glühen. Als sie einander die Hände schüttelten, drückte sie die seine ein bißchen stärker, und neben ihrem
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