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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte
Autoren: Lilian Jackson Braun
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mißbilligenden Blick auf Penelope und dann auf Koko. »Mit Ausnahme der symbolischen Legate, die ich genannt habe, Mr. Qwilleran, sind Sie tatsächlich der Alleinerbe des Besitzes von Fanny Klingenschoen.«
Qwilleran war fassungslos.
»Das«, sagte der Anwalt, »ist kurz zusammengefaßt der Inhalt des letzten Testaments, das mit dem Datum vom ersten April dieses Jahres versehen ist und damit alle vorhergehenden Testamente außer Kraft setzt. Die offizielle Testamentseröffnung ist für Mittwoch nachmittag in unserer Kanzlei angesetzt.«
Qwilleran schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund. Er wußte einfach nicht, was er sagen sollte. Er sah Penelope hilfesuchend an, doch sie grinste nur idiotisch.
Schließlich meinte er: »Das ist ein Aprilscherz.«
Goodwinter sagte: »Ich versichere Ihnen, es ist rechtmäßig. Wie ich es sehe, könnte das Problem darin bestehen, daß das Testament von den zahlreichen Organisationen, die großzügige Summen erwarten, angefochten wird.«
»Das waren mündliche Versprechen, die Fanny jedem in der Stadt gab«, erinnerte Penelope ihren Bruder. »Mr. Qwilleran hat als einziger einen rechtmäßigen Anspruch.«
»Dennoch ist eventuell eine Klage zugunsten der wohltätigen Organisationen von Pickax und der öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu erwarten, in der Fannys Testierfähigkeit in Frage gestellt werden könnte, doch ich versichere Ihnen...«
»Alex, du hast die Vorbehaltsklausel nicht erwähnt.« »Ach ja. Der Besitz – die Bankkonten, das Anlagevermögen, die Immobilien und so weiter – werden fünf Jahre lang treuhänderisch verwaltet, wobei das gesamte Einkommen an Sie geht, Mr. Qwilleran, vorausgesetzt, Sie sind bereit, für die Dauer dieses Zeitraums in Pickax zu leben und im Herrenhaus der Klingenschoens Ihren Wohnsitz zu nehmen. Danach endet die Treuhandverwaltung, und der Besitz wird zur Gänze an Sie übertragen.«
Es wurde still im Raum; alle starrten vor sich hin. Im Gästezimmer schlug ein Fenster zu.
Goodwinter blickte erschrocken auf. »Ist sonst noch jemand im Haus?«
»Nur Tom«, sagte Qwilleran. »Er repariert ein kaputtes Fenster.«
»Nun?« fragte Penelope. »Spannen Sie uns nicht auf die Folter.«
»Was geschieht, wenn ich die Bedingungen ablehne?«
»In diesem Fall«, sagte Goodwinter, »sieht das Testament vor, daß der gesamte Besitz an Atlantic City geht.«
»Und wenn er an Atlantic City geht«, fügte Penelope hinzu, »wird es in der ganzen Stadt Pickax zu Ausschreitungen kommen, und man wird Sie lynchen, Mr. Qwilleran.«
»Ich glaube noch immer, daß Sie mich auf den Arm nehmen«, sagte er. »Fanny hatte keinen Grund für eine so... für diese unglaubliche Geste. Ich habe sie vor ein paar Wochen zum ersten Mal seit über vierzig Jahren wiedergesehen.«
Goodwinter zog ein Blatt Papier aus seiner Aktentasche, das mit Fannys eigenwilliger Handschrift beschrieben war. »Sie bezeichnet Sie als ihr Patenkind. Ihre Mutter war eine Freundin, die sie als Schwester betrachtet hat.«
Penelope kicherte. »Komm, Alex, binde deinen Schnürsenkel, und dann gehen wir. Ich habe eine Verabredung zum Abendessen.«
Toms Pick-up war nicht mehr da, als die Anwälte wegfuhren, nachdem sie ihm die Hand geschüttelt und ihm gratuliert hatten. Penelope war nicht ganz sicher auf den Beinen gewesen, fand Qwilleran. Entweder hatte sie etwas gefeiert, oder sie hatte ihre Enttäuschung in Alkohol ertränkt. Plumps... plumps... plumps. Er hörte das vertraute Geräusch eines Katers, der in drei bequemen Etappen vom Elchkopf sprang.
»Nun, Koko«, sagte Qwilleran, »was hältst du davon?« Koko rollte sich herum, setzte sich auf sein Hinterteil und putzte sich eifrig den Schwanz.
    Benommen richtete Qwilleran den Katzen Truthahnfleisch her. Die sensationellen Neuigkeiten, die ihm Arch Riker und Alexander Goodwinter eröffnet hatten, beschäftigen ihn so sehr, daß er sich eine Tasse Instant-Kaffee zubereitete und dabei die wichtigste Zutat vergaß. Dann ging er mit seiner Kaffeeschale an das Fenster zum See und schlürfte das heiße Wasser, ohne zu bemerken, daß etwas fehlte.
Schäumende weiße Wellen schlugen an das Ufer; der Strandhafer wogte im Wind; die Äste der Bäume peitschten durch die Luft; sogar die Köpfchen der kleinen Wiesenblumen hüpften tapfer unter dem stürmischen Himmel auf und ab. Er hatte noch nie etwas so Gewaltiges und doch so Schönes gesehen. Das alles könnte mir gehören, dachte er. Hatte je ein Mensch vor einer derart schwierigen Wahl gestanden? Die zwei
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