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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung
Autoren: Bernd Flessner
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dumm zu verkaufen, war’s das. In fünfundsiebzig Minuten hier auf dem Parkplatz rufe ich Sie wieder an und sage Ihnen, wohin die Reise geht. Halt, lassen Sie Ihr Handy da, werfen Sie es zu mir. Hier auf den Boden. Und jetzt hauen Sie ab!“
    Von der Laue schlug die Stahltür zu und verriegelte sie. Greven schnappte nach Luft. Noch immer hatte er den Lauf seiner Pistole auf den Leuchtturm gerichtet, der wie der Turm eines U-Boots aus dem Deich ragte. Durch die Leere hindurch kämpfte er sich zum Wagen vor und krabbelte hinein. Mona! Mona! Mona! Sie hätte er jetzt gebrauchen können. Denn sie konnte zeichnen. Mona hätte ihm eine Karte zeichnen können, eine, die er nicht hatte. Eine falsche, aber die richtige.
    Gisbert!
    Er setzte das Blaulicht aufs Dach, wie ihm von der Laue geraten hatte, holte Monas Handy, das er sicherheitshalber mitgenommen hatte, aus dem Handschuhfach und fuhr los. Dreimal verwählte er sich, dann hörte er Gisberts Stimme.
    „Hier ist Gerd. Hast du den Herrn der Ringe? Tolkien. Du weißt schon.“
    „Ja“, antwortete Monas Kollege erstaunt.
    „Eine Ausgabe mit Landkarten von Mittelerde?“
    „Ich glaube schon. Aber was …?“
    „Ich bin in zwei Minuten bei dir. Du musst eine Karte für mich zeichnen. Hast du eine Feder und schwarze Tinte da?“
    „Habe ich, aber …“
    „Und große Bogen Papier? Etwa achtzig mal achtzig? Bereite alles vor. Bin gleich bei dir!“
    Als Greven die Landstraße erreichte, bog er nach links ab und fuhr ein Stück Richtung Greetsiel. Außer Sichtweite des Leuchtturms, versteckt hinter alten Gulfhöfen, nahm er das Blaulicht vom Dach und wendete den Wagen. Weiße Passats gab es viele, und auf die Entfernung war sein Gesicht nicht zu erkennen.
    Gisbert Wilhelm wohnte und arbeitete mitten in Pilsum, einem kleinen Warfendorf, das vom Tourismus noch nicht überrannt worden war. Von seinem kleinen Haus, einem der ältesten des Ortes, war der Leuchtturm gut zu erkennen. Pfeife rauchend erwartete ihn der Künstler in der geöffneten Tür.
    „Was ist denn los, Gerd? Ich verstehe kein Wort. Eine Karte soll ich zeichnen? Jetzt?“
    „Genau, eine Karte. Aber eine bestimmte. Damit rettest du Mona das Leben. Hoffe ich zumindest.“
    „Mona?“
    Greven zog ihn ins Haus, das nur aus einem großen Raum bestand, und weiter ins Atelier, einen Anbau mit großen Fensterflächen, die seine Pastellfarben zum Leuchten brachten. Mit wenigen Worten skizzierte er die Lage. Gisbert nahm die Pfeife aus dem Mund, lief zurück ins Haus und kehrte mit einer englischen Ausgabe von Tolkiens Epos zurück, George Allen & Unwin, zweite Auflage, 1968, gekauft während einer Studienreise nach Wales. Auf Seite vier die Karte. Mittelerde. Touristisch auch schon längst überrollt. Fast jeder war schon einmal da. Zumindest im Kino. Aber auf der Seite dieser leicht vergilbten Taschenbuchausgabe war das fiktive Land noch mit der Aura des Geheimnisvollen ausgestattet.
    „In dem Stil“, erklärte Greven, den Zeigefinger gen Eriador, „nur eben den Westen der ostfriesischen Halbinsel, die Küstenlinie und Borkum, Lütje Hörn, Memmert, Juist. Den Rest sage ich dir, wenn du fertig bist. Schaffst du das in, sagen wir, dreißig Minuten?“
    Gisbert Wilhelm tauchte die Feder in Sepiatinte und nickte verhalten. Dann begann er, mit dem Blick in dunkle Zeitalter, mit der Erschaffung der Krummhörn. Greven winkte ihm dankend und verließ das Haus. Er hatte beschlossen, sich auf die zweite Übergabe besser vorzubereiten. Wenn er Mona retten wollte, brauchte er frische Karten. Denn die, die Gisbert zu zeichnen begonnen hatte, reichte alleine nicht aus.

26. Kapitel
     
    Buchstäblich in letzter Minute traf Greven auf dem kleinen Parkplatz unterhalb des Deiches am Fuß des Leuchtturms ein. Das rote Handy lag auf dem Aktenkoffer, den er sich von Gisbert ausgeliehen hatte. Er war nicht mehr ganz neu, aber mit vereinten Kräften und etwas schwarzem Lederfett hatten sie ihm wieder zu einem seriösen Äußeren verholfen.
    Pünktlich meldete sich von der Laue.
    „Haben Sie die Karte?“
    „Ich habe sie. Und diesmal ist es die echte. Verlassen Sie sich darauf.“
    „Eine dritte Chance gibt es nicht. Beeilen Sie sich. Ich beschreibe Ihnen den Weg.“
    Von der Laue lotste ihn auf einer Betonstraße unterhalb des Deiches zu einer Stelle, an der man mit dem Auto über den Deich fahren konnte. Die verzinkten Stahltore, die das Befahren dieser Straße verhindern sollten, waren geöffnet worden und ließen ihn
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