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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung
Autoren: Bernd Flessner
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Norderney gefundenen Wasserleichen kurz darauf als vietnamesische Matrosen identifiziert, die ein britischer Stückgutfrachter schon vor Wochen als vermisst gemeldet hatte.
    Mona hatte ihre Entführung besser verkraftet als Greven. Da von der Laue auch ihr Diazepam eingeflößt hatte, war ihr ohnehin das meiste entgangen. Schon am nächsten Morgen war sie wieder auf den Beinen und konnte sich um Greven kümmern, dessen Knie nun endgültig streikte und nach einer längeren Auszeit verlangte. Eine ganze Woche räkelte er sich auf der Couch in ihrem Atelier, bis sie ihn an die Luft setzte und ins Büro abschob, weil sie es nicht als ihre Aufgabe ansah, Pflegerin für eigentlich schon wieder ganz rüstige Hauptkommissare zu spielen, die sich zudem schnell an die Rolle des rund um die Uhr Bemutterten gewöhnt hatten. Und derartige Männer waren ihr seit jeher zuwider.
    Monas Gordum-Bildnis wurde vorerst nicht ausgestellt. Es erhielt einen besonderen Platz in ihrem Atelier. Gleich neben einer Karte von Gisbert Wilhelm, einem Duplikat jener Karte, die sich als die echte erwiesen hatte. Leider hatte kein Besucher Gelegenheit, beide Kunstwerke zu betrachten, denn schon nach wenigen Wochen waren sie hinter einem Stapel großer, frisch aufgezogener Leinwände verschwunden. Hätte er jedoch einen Blick auf das Gordum-Bildnis werfen können, hätte er die schönste und mächtigste Stadt gesehen, die im Mittelalter an der Nordseeküste zu finden war. Eine stolze Stadt, bevölkert mit Kaufleuten und Bürgern aus England, Dänemark, Flandern und Frankreich. Eine Stadt, die allen Feinden getrotzt und dem friesischen Konkurrenten Emden keine Chance gewährt hat im Kampf um Kupfer und Leinen, um Pelze und Äxte, um Gold und Silber.
    Eine alte Stadt, gegründet, lange bevor Rom die Emsmündung erreichte und sie mit Hilfe der Friesen eroberte, die schon vor zweitausend Jahren versuchten, sie von der flachen Weltscheibe zu stoßen. Doch war der Erfolg nur von kurzer Dauer, denn unter römischer Flagge begann ihr eigentlicher Aufstieg zur Macht, zur wahren Größe, der letztendlich nur die Elemente Einhalt gebieten konnten. Oder die Flotte der Emder Bürgerschaft. Diese Frage ließ das Bild offen, denn es zeigte Gordum in seiner Blütezeit, unbeeindruckt von fernen Zukünften, ohne Furcht vor den Schatten, für die sich auf der Leinwand kein Platz gefunden hatte. Noch hätte jeder Bürger von sich gewiesen, was wenig später zur Gewissheit werden sollte. Gordum numquam ullus adibit rursus viator.
     
    Finis

Nachschrift
    Was wäre der Mythos einer versunkenen Stadt, einer untergegangenen Insel, ohne die Frage, ob sie überhaupt je existiert hat? Der Mythos wäre keiner. Zumindest wäre er seiner Faszination beraubt. Die aber braucht ein Mythos, um leben zu können und tradiert zu werden.
    Vor allem Bücher und Karten sind es, die einem Mythos diese lebensnotwendige Faszination verleihen, die ihm Leben einhauchen, insbesondere, wenn sie rar und alt sind. Sie zeugen in uns die Bilder vergangener Wirklichkeiten, lassen sie in uns kristallisieren, sind die Hinweise auch noch so dürftig, die Spuren auch noch so fragwürdig. Im Gegenteil: Je weniger wir wissen, umso größer die Faszination, umso größer die Freiheit, unsere Bilder zu entwerfen.
    Die Beantwortung der Frage, ob Gordum existiert hat, bleibt daher natürlich dem Leser überlassen. Sie ist im Kontext des Romans zwar sekundär, aber vielleicht doch hier und da von Interesse. Um dem Leser die Möglichkeit zu geben, dieser Frage nachzugehen, habe ich einige Buchtitel ausgewählt, die bei der Beantwortung von großer Hilfe sind. Darüber hinaus sei auf die Johannes a Lasco Bibliothek sowie das Stadtarchiv der Stadt Emden verwiesen. Auch die Ostfriesische Landschaft in Aurich verfügt über eine geeignete Bibliothek. Die Recherchen erfolgen natürlich auf eigenes Risiko.
     
    Karl-Ernst Behre / Hajo von Lengen: Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995
     
    Johann Kramer: Sturmflut 1962. Sturmfluten und Küstenschutz zwischen Ems und Weser, Norden 1967
     
    W.J. Kuppers u.a.: Ubbo Emmius. Ein ostfriesischer Gelehrter in Groningen, Groningen / Emden 1994
     
    Arend W. Lang: Der Untergang der Insel Bant, in: Ostfreesland. Kalender für Jedermann, Norden 1951
     
    Arend W. Lang: Kleine Kartengeschichte Frieslands zwischen Ems und Jade, Norden 1962
     
    Herbert Röhrig: Heilige Linien durch Ostfriesland, Aurich 1930
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