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Helix

Helix

Titel: Helix
Autoren: Dan Simmons
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EINLEITUNG
     
    »Ganzheit; alles andere ist Öde und Trostlosigkeit.«
    Mit diesem Satz beginnt und endet »Daniel Martin« von John Fowles. Es ist einer meiner Lieblingsromane, den ich freilich vier- oder fünfmal lesen musste, ehe ich die volle Bedeutung dieses Satzes erfassen konnte – nicht nur in Bezug auf den Roman selbst, sondern auch als cri de cœur, der als Mahnung an alle Schriftsteller und Künstler aus dem Herzen der Kunst selbst zu kommen schien. In der vorletzten Szene von »Daniel Martin« wird der Titelheld mit diesem Befehl konfrontiert, als er den Blick des alten Rembrandt sieht. Kompromisslos brennt auf einem der letzten Selbstporträts des Meisters die Kraft in den beragten Augen. Auch mich hat der Anblick eines Selbstbildnisses von Rembrandt wie ein Hammerschlag getroffen, und auch ich bin der Ansicht, dass hier sowohl die letzte Frage als auch die letzte Antwort zur schöpferischen Suche des Künstlers festgehalten sind.
    Eigentlich schätze ich es nicht, wenn man mich durch Einführungen darauf vorbereiten will, ein besseres Verständnis für ein fiktives Werk zu bekommen. Ich lese Einleitungen zwar ganz gern, bin aber gleichzeitig auf der Hut. Für viel zu viele gilt das, was John Keats über schlechte Dichtung sagte: »Man spürt die Absicht uns gegenüber – und wenn wir dem Verfasser nicht beipflichten, schiebt er die Hände in die Hosentaschen.« Als Autor bin ich der Ansicht, dass eine Erzählung – wie die Kunst ganz allgemein – für sich stehen und nur für sich selbst genommen beurteilt werden sollte. Man sollte sie nicht mit hohlem Wortgeklingel retuschieren oder rechtfertigen müssen.
    Und doch …
    Da ich Leser und Autor zugleich bin, gefällt es mir, wenn die Geschichten meiner Lieblingsautoren durch Einleitungen in einen Kontext gestellt werden. Mein Freund Harlan Ellison sagte einmal: »Alle raten mir, eine Autobiografie zu schreiben. Ich antworte ihnen: ›Ich habe sie in jeder Geschichte, die ich veröffentliche, in Stückchen und Bröckchen in den Einleitungen, längst geschrieben.‹« Ich verspüre zwar nicht den Drang, eine Autobiografie zu schreiben, aber ich muss gestehen, dass ich Harlans mitreißende, aufschlussreiche Einführungen liebe, ja dass ich mich an einige dieser Texte sogar noch erinnern konnte, als ich die Einzelheiten der Geschichten, zu denen sie gehörten, längst vergessen hatte.
    Im Gegensatz zu Performance-Künstlern, die ihr Publikum überall finden – etwa in den Benutzern eines Aufzugs oder den Gästen eines Restaurants –, trete ich in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung und habe auch nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. In einer Zeit, in der die Privatsphäre missachtet wird und alle an rückhaltlosen Enthüllungen interessiert sind, wirke ich mit meinem Beharren auf Zurückgezogenheit altmodisch. Nein, ich bin damit altmodisch. »Sagen Sie nichts, ich werde auch nicht fragen« – das könnte meine Haltung zu einem großen Teil der Welt beschreiben, die vieles viel zu schnell offenbart.
    Doch als Romanautor, der ab und an auch Kurzgeschichten veröffentlicht, habe ich die Mauern meiner Privatsphäre längst bewusst niedergerissen. »Schriftsteller treiben ihre Dämonen selbst aus«, sagte Mario Vargas Llosa einmal, und das Gegenstück zu dieser Maxime ist Henry James’ Bemerkung, die Gegenwart des Autors sei wahrnehmbar »auf allen Seiten all seiner Bücher, aus denen er sich so eifrig zu tilgen suchte«.
    So ist vielleicht das Herstellen eines Kontextes die einzige Rechtfertigung für Einführungen, wie sie in dieser Sammlung erscheinen. Womöglich sind Einleitungen aber auch einfach nur ein Ausdruck guter Manieren, so wie man »Hallo« zu anderen Wanderern sagt, denen man hier in den Rocky Mountains, wo ich lebe, begegnet. Wenn man es richtig macht, beeinträchtigt der Gruß nicht die Landschaft und die Einsamkeit, welche die wahren Gründe sind, um hier zu wandern – und wenn man es richtig macht, stört eine Einführung den Leser auch nicht beim Lesen der Geschichte.
     
    Die fünf Erzählungen in diesem Band sind in einer Zeit entstanden, in der der Autor deutliche, aber nicht unbedingt äußerlich sichtbare Veränderungen durchgemacht hat. Man möchte an Dante denken, der in der »Göttlichen Komödie« den Abschnitt über die Hölle folgendermaßen beginnen lässt:
     
    Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
    Ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
    Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.
    Wie schwer ist’s
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