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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
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meinem Tisch auf und stelle mich neben Zerberus. In der Dunkelheit höre ich sie kommen. Sie öffnet ihm das Maul und zwängt das Päckchen hinein, und ich – ganz zart, von ihr unbemerkt, schneide mit einem Scherchen ein Stückchen Stoff von ihrem Ärmel ab.«
    Er zog schwungvoll die Trophäe hervor.
    »Sie sehen – genau das gleiche karierte Tweedmuster –, und ich werde es Japp geben, damit er es dort einfügt, wohin es gehört, und die junge Dame verhaftet – und sagt, wie klug Scotland Yard wieder einmal gewesen ist.«
    Die Gräfin Rossakoff starrte ihn entgeistert an. Plötzlich ertönte aus ihrem Mund ein Klageton wie von einem Nebelhorn:
    »Aber mein Niki – mein Niki. Das wird furchtbar für ihn sein!« Sie hielt inne. »Oder glauben Sie nicht?«
    »Es gibt eine Menge anderer Mädchen in Amerika«, sagte Hercule Poirot.
    »Und ohne Sie wäre seine Mutter jetzt im Gefängnis – im Gefängnis – mit abgeschnittenen Haaren – in einer Zelle sitzend – und nach Karbol duftend! Ah, aber Sie sind großartig – großartig.«
    Sie erhob sich majestätisch, schloss Poirot in ihre Arme und küsste ihn mit slawischer Glut. Mr Higgs sah entzückt zu. Der Hund Zerberus klopfte mit dem Schweif auf den Boden.
    Mitten in diese Freudenszene ertönte die Glocke.
    »Japp«, rief Poirot und befreite sich aus den Armen der Gräfin.
    »Ich gehe lieber ins andere Zimmer«, sagte die Gräfin. Sie schlüpfte durch die Verbindungstür. Poirot wollte zur Eingangstür eilen.
    »Chef«, keuchte Mr Higgs ängstlich, »schauen Sie zuerst in den Spiegel.«
    Poirot gehorchte und fuhr zurück. Lippenstift und Mascara verzierten sein Gesicht in wildem Durcheinander.
    »Wenn das Mr Japp von Scotland Yard ist, wird er bestimmt auf das Ärgste gefasst sein«, erklärte Mr Higgs.
    Als die Glocke wieder läutete und Poirot fieberhaft versuchte, grellrotes Fett von seinen Schnurrbartspitzen zu entfernen, fügte das Männchen hinzu:
    »Was soll ich tun? Auch verschwinden? Und was geschieht mit diesem Höllenhund hier?«
    »Wenn ich mich recht entsinne«, sagte Hercule Poirot, »so kehrt Zerberus in die ›Hölle‹ zurück.«
    »Ganz wie Sie wünschen«, sagte Mr Higgs. »Eigentlich hatte ich ein Auge auf ihn geworfen, aber er ist nicht der Hund, den ich klauen möchte – nicht für immer – zu auffallend, wenn Sie mich verstehen. Und stellen Sie sich vor, was er mich an Koteletts und Pferdefleisch kosten würde. Frisst so viel wie ein junger Löwe, denke ich.«
    »Vom Nemeischen Löwen zur Gefangennahme des Zerberus«, murmelte Poirot, »die Prüfungen sind beendet.«
     
    Eine Woche darauf brachte Miss Lemon ihrem Chef eine Rechnung.
    »Entschuldigen Sie, Monsieur Poirot, stimmt es, dass ich das bezahlen soll? Leonora, Blumenhandlung. Rote R o sen. Elf Pfund, acht Shilling und Sixpence. Abgegeben bei Gräfin Vera Rossakoff, ›Hölle‹, 13 End. Str. W.C.I.«
    Wie die Farben der Rosen, so waren Hercule Poirots Wangen. Er errötete bis unter die Haarwurzeln.
    »Es stimmt vollkommen, Miss Lemon. Ein kleiner Tribut – hm – zu einem Anlass. Der Sohn der Gräfin hat sich gerade in Amerika verlobt mit der Tochter seines Chefs, eines Stahlmagnaten. Rote Rosen sind – wenn ich mich recht erinnere – ihre Lieblingsblumen.«
    »So«, bemerkte Miss Lemon trocken. »Sie sind um diese Jahreszeit sehr teuer.«
    Hercule Poirot richtete sich auf.
    »Es gibt Augenblicke, wo man nicht spart.«
    Ein kleines Liedchen summend, ging er zur Tür hinaus. Sein Gang war leicht, elastisch. Miss Lemon starrte ihm nach. Ihr Karteisystem war vergessen. All ihre weiblichen Instinkte waren geweckt.
    »Du meine Güte«, murmelte sie. »Ich frage mich… Wirklich! In seinem Alter?… Das kann nicht sein…«
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