Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Vorwort
     
    H ercule Poirots Wohnung war modern eingerichtet. Sie glitzerte von Chrom. Die Lehnstühle, obwohl bequem gepolstert, waren viereckig und streng in der Linie.
    Auf einem von diesen saß Hercule Poirot adrett und genau in der Mitte. Ihm gegenüber in einem anderen Lehnstuhl saß Dr. Burton, Fellow von All Souls, und nippte anerkennend an einem Glas von Poirots Château Mouton Rothschild. An Dr. Burton war nichts Adrettes: Er war rundlich und unordentlich, und unter seiner weißen Haarpracht strahlte ein rosiges, wohl wollendes Gesicht. Er hatte ein tiefes, kehliges Lachen und die Gewohnheit, sich selbst und seine Umgebung mit Zigarrenasche zu bestreuen. Poirot umringte ihn vergebens mit Aschenbechern.
    Dr. Burton stellte eine Frage.
    »Sagen Sie mir«, erkundigte er sich, »warum Hercule?«
    »Sie meinen meinen Taufnamen?«
    »Kaum ein Taufname«, wandte der andere ein, »ausgesprochen heidnisch. Aber warum Hercule? Das möchte ich gern wissen. War es Vaters Idee? Mutters Laune? Familiengründe? Wenn ich mich richtig entsinne – obwohl mein Gedächtnis nicht mehr das ist, was es einst war –, hatten Sie einen Bruder, der Achille hieß, nicht wahr?«
    Poirot überflog in der Erinnerung die Einzelheiten von Achille Poirots Laufbahn. War das alles wirklich geschehen?
    »Nur während kurzer Zeit«, erwiderte er.
    Dr. Burton wechselte taktvoll das Thema.
    »Die Leute sollten die Vornamen ihrer Kinder sorgfältiger auswählen«, philosophierte er. »Ich habe Patenkinder, ich kann ein Lied davon singen. Blanche heißt eines – schwarz wie eine Zigeunerin! Ein anderes heißt Deirdre, Deirdre die Kummervolle – sie ist munter wie eine Lerche. Und die kleine Holda könnte ebenso gut Unholda heißen. Und Diana – nun, Diana – «, der alte Humanist schauderte, »wiegt jetzt schon siebzig Kilo – und ist erst fünfzehn! Sie sagen, das sei Kinderspeck – aber mir sieht es nicht danach aus. Diana! Sie wollten sie Helena nennen, aber das habe ich nicht zugelassen im Hinblick darauf, wie ihre Eltern aussehen – und ihre Großmutter übrigens auch. Ich habe für Martha oder Anna oder irgendetwas Vernünftiges plädiert, aber umsonst. Komische Leute, Eltern…«
    Er begann leise zu kichern, und sein kleines dickes Gesicht legte sich dabei in tausend Fältchen.
    Poirot sah ihn fragend an.
    »Ich stelle mir im Geist ein Gespräch vor. Ihre Mutter und die verstorbene Mrs Holmes sitzen zusammen und nähen oder stricken winzige Kleidungsstücke: ›Achille, Hercule, Sherlock, Mycroft…‹«
    Poirot stimmte in die Heiterkeit seines Freundes nicht ein.
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, so finden Sie, dass ich in meiner äußeren Erscheinung Herkules nicht gleiche?«
    Dr. Burtons Augen schweiften über Hercule Poirot, über seine adrette kleine Gestalt in gestreiften Hosen, korrektem schwarzem Jackett und schmucker Schleife, schweiften von seinen Lederschuhen zu seinem eiförmigen Kopf und dem riesigen Schnurrbart, der seine Oberlippe zierte.
    »Offen gestanden, Poirot, nein«, sagte Dr. Burton. »Ich nehme an«, fügte er hinzu, »dass Sie nie viel Zeit hatten, die alten Klassiker zu studieren?«
    »Das stimmt.«
    »Schade, schade. Sie haben viel versäumt. Wenn es nach mir ginge, müsste jedermann angehalten werden, die Klassiker zu studieren.«
    Poirot zuckte die Achseln.
    »Eh bien, ich bin sehr gut ohne sie ausgekommen.«
    »Ausgekommen! Ausgekommen! Es handelt sich nicht um das Auskommen. Die Klassiker sind keine Leiter zu einem schnellen Erfolg wie ein moderner Korrespondenzkurs. Nicht auf die Arbeitsstunden eines Menschen, auf seine Mußestunden kommt es an. Das ist der Fehler, den wir alle begehen. Nehmen Sie zum Beispiel sich selbst. Sie kommen in die Jahre, Sie werden sich zurückziehen, das Leben leichter nehmen wollen – was werden Sie mit Ihren Mußestunden anfangen?«
    Poirot hatte seine Antwort bereit.
    »Ich werde mich ernsthaft der Kürbiszucht widmen.«
    Dr. Burton war entsetzt.
    »Kürbisse? Was wollen Sie damit sagen? Diese großen, angeschwollenen grünen Dinger, die nach Wasser schmecken?«
    »Ah«, Poirot sprach mit Enthusiasmus, »aber das ist es ja eben. Sie müssen nicht nach Wasser schmecken.«
    »Oh! Ich weiß – man serviert sie mit Käse oder gehackten Zwiebeln oder weißer Sauce.«
    »Nein, nein – Sie irren sich. Ich glaube, dass der Geschmack des Kürbis selbst verbessert werden kann. Man kann ihm«, er blickte schwärmerisch nach oben, »eine Blume – «
    »Um Himmels willen, Mann,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher