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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
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mit.«
     
    In einem überheizten, großen, voll gepfropften Wohnzimmer saßen zwei Frauen.
    Als Sir Joseph und Hercule Poirot eintraten, stürzte ein Pekinese mit wütendem Gekläff hervor und umkreiste beängstigend Poirots Knöchel.
    »Shan! Shan, hierher. Komm zu Frauchen, Liebling. – Nehmen Sie ihn auf, Miss Carnaby.«
    Das zweite weibliche Wesen erhob sich hastig, und Hercule Poirot murmelte:
    »Ein wirklicher Löwe, wahrhaftig.«
    Shan-Tungs Häscherin stimmte etwas atemlos zu.
    »Ja, wirklich, er ist ein so guter Wachhund. Er fürchtet sich vor nichts und niemandem – sei jetzt ein gutes Hündchen und komm.«
    Nach den üblichen Vorstellungen sagte Sir Joseph:
    »So, Monsieur Poirot, ich lasse Sie jetzt der Sache nachgehen«, und verließ mit kurzem Kopfnicken das Zimmer.
    Lady Hoggin war eine dicke, launenhaft aussehende Frau mit hennarot gefärbten Haaren. Ihre Gesellschafterin, die umherhuschende Miss Carnaby, war eine rundliche, sympathisch aussehende Frau zwischen vierzig und fünfzig. Sie behandelte Lady Hoggin äußerst respektvoll und schien eine Heidenangst vor ihr zu haben.
    Poirot sagte:
    »Und nun, Lady Hoggin, schildern Sie mir genau die näheren Umstände dieses abscheulichen Verbrechens.«
    Lady Hoggin errötete.
    »Ich bin sehr froh, dass Sie das sagen, Monsieur Poirot, denn es war ein Verbrechen. Pekinesen sind schrecklich sensibel – genau wie Kinder. Der arme Shan-Tung hätte allein schon vor Schreck sterben können, wenn an nichts anderem – «
    Miss Carnaby warf atemlos ein:
    »Ja, es war niederträchtig – niederträchtig.«
    »Bitte schildern Sie mir den Vorfall.«
    »Nun, es war so. Shan-Tung war mit Miss Carnaby auf seinem Spaziergang im Park – «
    »O Gott, ja, es war ganz meine Schuld«, warf die Gesellschafterin ein. »Wie konnte ich nur so dumm, so nachlässig sein.«
    Lady Hoggin sagte eisig:
    »Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen, Miss Carnaby aber ich finde, Sie hätten wachsamer sein können.«
    Poirot richtete seinen Blick auf die Gesellschafterin.
    »Was geschah?«
    Miss Carnaby berichtete wortreich und etwas aufgeregt:
    »Es war so eine merkwürdige Geschichte! Wir waren gerade den Blumenweg entlanggegangen – Shan-Tung war natürlich an der Leine und hatte schon auf dem Rasen herumgetollt –, und ich wollte eben umkehren und heimgehen, als meine Aufmerksamkeit von einem Baby in einem Kinderwagen gefesselt wurde – so ein süßes Baby, das mich anlächelte, mit wunderschönen rosigen Bäckchen und prächtigen Locken. Ich konnte mich nicht zurückhalten, mit der Kinderfrau zu sprechen und sie zu fragen, wie alt es sei. – Siebzehn Monate, sagte sie – und ich bin sicher, dass ich nur ein bis zwei Minuten mit ihr gesprochen habe. Dann blickte ich hinunter, und Shan war nicht mehr da. Die Leine war glatt durchgeschnitten worden.«
    Lady Hoggin sagte:
    »Hätten Sie mehr auf Ihre Pflichten geachtet, hätte niemand sich heranschleichen und die Leine durchschneiden können.«
    Miss Carnaby schien den Tränen nahe. Poirot sagte hastig:
    »Und was geschah dann?«
    »Nun, natürlich suchte ich überall und rief! Und ich fragte den Parkwächter, ob er einen Mann gesehen hätte, der einen Pekinesen trug, aber er hatte nichts Derartiges bemerkt – und ich wusste nicht, was ich tun sollte, und suchte und suchte, aber schließlich musste ich natürlich heimkehren – «
    Miss Carnaby hielt plötzlich inne. Poirot konnte sich die Szene nach der Heimkehr vorstellen. Er forschte weiter:
    »Und dann bekamen Sie einen Brief?«
    Lady Hoggin nahm den Faden der Erzählung auf:
    »Mit der ersten Post am folgenden Morgen. Darin hieß es, dass ich zweihundert Pfund in Einpfundnoten in einem nicht eingeschriebenen Brief an Captain Curtis, 38 Bloomsbury Road Square, schicken müsse, wenn ich Shan-Tung wiedersehen wolle. Der Schreiber drohte, Shan-Tungs Ohren und Schweif abzuschneiden, falls das Geld markiert oder die Polizei verständigt würde – stellen Sie sich das vor, abschneiden.«
    Miss Carnaby begann sich zu schnäuzen.
    »Grauenhaft«, flüsterte sie. »Wie können Menschen solche Bestien sein!«
    Lady Hoggin fuhr fort:
    »Wenn ich dagegen das Geld sofort schicken würde, so würde Shan-Tung noch am gleichen Abend wohlbehalten zurückgebracht, aber wenn – wenn ich nachträglich zur Polizei ginge, müsste Shan-Tung dies büßen.«
    Miss Carnaby flüsterte weinerlich:
    »O Gott, ich fürchte mich sogar jetzt – natürlich ist ja Monsieur Poirot nicht direkt die Polizei –
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