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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
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Präzision eines Maschinengewehres.
    Poirot war erschüttert, erschüttert und verbittert. Miss Lemon, die tüchtige Miss Lemon hatte ihn im Stich gelassen! Ein Pekinese! Und nach dem Traum, den er diese Nacht gehabt hatte, war er eben im Begriff gewesen, den Buckingham Palast zu verlassen, nachdem man ihm persönlich gedankt hatte, als sein Diener ihn mit der Morgenschokolade geweckt hatte.
    Worte lagen ihm auf der Zunge – ironische, beißende Worte. Aber er sprach sie nicht aus, weil Miss Lemon sie, beschäftigt wie sie war, gar nicht gehört hätte.
    Mit einem verächtlichen Brummen nahm er den obersten Brief von dem kleinen Stoß auf seinem Schreibtisch zur Hand.
    Ja, es war genau, wie Miss Lemon gesagt hatte. Eine Büroadresse – eine kurze, geschäftsmäßige Aufforderung. Der Gegenstand – Diebstahl eines Pekinesen. Einer dieser glotzäugigen, überfütterten, verzärtelten Schoßhunde reicher Frauen. Hercule Poirots Lippen kräuselten sich verächtlich, während er las. Nichts Sensationelles an der Geschichte, nichts Ausgefallenes – halt! Doch: in einem kleinen Detail war sie außergewöhnlich.
    Hercule Poirot setzte sich. Er las den Brief langsam und aufmerksam durch. Es war nicht der Fall, den er sich ersehnt, den er sich versprochen hatte. Der Fall war in keiner Hinsicht wichtig. Er war – und das bildete den Haupteinwand – er war keine richtige Herkulesarbeit.
    Aber unglücklicherweise war er neugierig…
    Ja, er war neugierig…
    Er erhob die Stimme, um von Miss Lemon trotz ihres Geklappers gehört zu werden.
    »Rufen Sie diesen Sir Joseph Hoggin an«, befahl er, »und vereinbaren Sie mit ihm, wann ich ihn in seinem Büro aufsuchen kann, wie er vorschlägt.«
     
    »Ich bin ein gewöhnlicher Mann, Monsieur Poirot«, sagte Sir Joseph Hoggin.
    Hercule Poirot machte eine unverbindliche Geste mit der rechten Hand. Sie drückte (wenn man es so nehmen wollte) Bewunderung für Sir Josephs Laufbahn aus und Anerkennung für die Bescheidenheit, sich selbst so zu bezeichnen. Sie konnte auch eine liebenswürdige Ablehnung dieser Behauptung ausdrücken. Auf jeden Fall verriet sie nichts von dem Gedanken, den Poirot in diesem Augenblick hegte, dass nämlich Sir Joseph bestimmt (in der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes) ein sehr gewöhnlicher Mensch war. Hercule Poirots Augen ruhten kritisch auf seinen aufgedunsenen Wangen, den kleinen Schweinsäuglein, der Knollennase und dem schmallippigen Mund. Die Gesamtwirkung erinnerte ihn an irgendjemand oder irgendetwas, aber im Augenblick konnte er sich nicht entsinnen, an wen oder was. Eine Erinnerung stieg undeutlich in ihm auf. Vor langer Zeit… in Belgien – irgendetwas, das bestimmt mit Seife zu tun hatte…
    Sir Joseph fuhr indessen fort:
    »Ich mache keine Geschichten, ich gehe nicht wie die Katze um den heißen Brei. Die meisten Leute, Monsieur Poirot, würden diese Sache einfach auf sich beruhen lassen, sie als schlechtes Geschäft abschreiben und dann alles vergessen. Aber das ist nicht meine Art. Ich bin ein reicher Mann, und so spielen zweihundert Pfund bei mir keine Rolle.«
    Poirot warf schnell dazwischen:
    »Ich gratuliere Ihnen.«
    »Wie?«
    Sir Joseph hielt inne. Er kniff seine kleinen Augen noch mehr zusammen und sagte scharf:
    »Damit will ich nicht sagen, dass ich die Gewohnheit habe, mein Geld hinauszuwerfen. Wenn ich etwas brauche, so zahle ich dafür. Aber ich bezahle den Marktpreis – nicht mehr.«
    Hercule Poirot sagte:
    »Sie wissen, dass meine Honorare hoch sind?«
    »Ja, ja, aber das hier«, Sir Joseph sah ihn listig an, »ist eine sehr kleine Angelegenheit.«
    Hercule Poirot zuckte die Achseln. Er sagte:
    »Ich handle nicht. Ich bin ein Experte. Für die Dienste eines Experten muss man zahlen.«
    Sir Joseph sagte offen:
    »Ich weiß, dass Sie in diesen Sachen tipptopp sind. Ich habe mich erkundigt, und man hat mir gesagt, dass Sie der beste Mann dafür sind. Ich will der Sache auf den Grund gehen und knausere nicht mit den Auslagen. Darum habe ich Sie herkommen lassen.«
    »Sie haben Glück gehabt«, entgegnete Poirot.
    Sir Joseph sagte wieder: »Wie?«
    »Besonderes Glück«, sagte Hercule Poirot fest. »Ich kann ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass ich auf dem Höhepunkt meiner Laufbahn bin. Ich beabsichtige, mich in Kürze zurückzuziehen – auf dem Land zu leben, gelegentlich zu reisen, die Welt zu sehen, vielleicht auch meinen Garten zu bestellen – mit besonderer Berücksichtigung der verfeinerten Kürbiskultur.
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