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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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    In der Toskana gibt es keine Luchse. Dafür kann man in den Hügeln der südlichen Toskana noch Wildkatzen antreffen. Doch als ich in meinem grauen Mietwagen von Florenz nach Südwesten fuhr, sah ich keine anderen Tiere außer Schwalben und Tauben, deren Gurren bis ins Wageninnere zu hören war.
    Montemassi war schon von weitem zu sehen. Die Festung erhob sich auf einem Hügel, etwa dreihundert Meter über dem Meeresspiegel. Sie sah tatsächlich so abweisend aus wie auf dem Fresko von Simone Martini, auf dem Guidoriccio in das Dorf einreitet. Der schmale, hohe Turm auf der Nordseite fehlte allerdings, und im mittleren Teil waren Dach und Wände eingestürzt. Als die zum Festungsdorf führende Straße steiler wurde, schaltete ich in den zweiten Gang hinunter. Ich war zum ersten Mal in Italien, aber während meiner Ausbildung in New York war ich oft genug durch Little Italy gestreift, um ein wenig Küchenitalienisch aufzuschnappen, das ich mir nun ins Gedächtnis rief. Mein italienischer Mitschüler an der Sicherheitsakademie Queens hatte mir außerdem einige nützliche Schimpfwörter beigebracht.
    Ich hatte David seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Zuletzt hatten wir uns im Spätsommer in Kiel getroffen, wohin er von Spanien aus gesegelt war. Außer mir wussten zwei Vertrauensleute Davids bei Europol, dass er die Explosion auf der Ostsee überlebt hatte. Dieses Wissen teilten zudem Kriminalhauptmeister Teppo Laitio von der finnischen Zentralkripo sowie einige finnische Politiker, für die David nur ein Name war. Doch irgendwer hatte die Information weitergegeben, sodass Davids früheres Versteck in der Nähe von Sevilla zu unsicher geworden war. Er hatte es aufgeben müssen.
    David wusste damals nicht, wer hinter ihm her war, aber wir merkten beide, dass wir observiert wurden. Wir waren darin geübt, Menschen zu beobachten, Maskeraden zu durchschauen, zu merken, wenn ein Gegenstand am falschen Platz lag. Zudem hatte derjenige, der David nachspürte, es darauf angelegt, sich bemerkbar zu machen. Auf den Pfaden, die zu Davids Hütte führten, erschienen über Nacht frische Spuren, und das Küchenfenster wurde eingeschlagen, während wir einen Spaziergang machten. David bekam seltsame Anrufe, obwohl er seine Telefonnummer ständig wechselte. Der Verfolger wollte David Angst einjagen und ihn dazu bringen, sein Versteck zu verlassen.
    Wir hatten uns heftig gestritten, als David mich gebeten hatte, nach Finnland zurückzukehren. Natürlich musste ich noch einmal hin, um meine Angelegenheiten zu ordnen, doch ich hatte vorgehabt, anschließend wieder nach Spanien zu reisen. Meine Ersparnisse waren aufgebraucht, aber ich hatte ein paar kleine Besitztümer, die ich zu Geld machen konnte. Da ich meine Stelle bei der Sicherheitskontrolle Hals über Kopf gekündigt hatte, konnte ich kein Arbeitslosengeld erwarten, zumal ich monatelang in Südspanien gefaulenzt hatte, statt dem Arbeitsamt zur Verfügung zu stehen. Als ich schließlich doch wieder nach Finnland gezogen war, hatte ich zum Glück meinen alten Job zurückbekommen. Bei der Sicherheitskontrolle herrschte ständig Personalmangel.
    Die gemeinsame Woche in Kiel war nur ein kurzes Intermezzo gewesen, danach wurde die Sehnsucht nur noch unerträglicher. Ich hasste es, dass meine Stimmung davon abhing, ob sich David meldete. Er tat es unregelmäßig, seine E-Mail-Accounts und Telefonnummern wechselten häufig, und manchmal ließ er wochenlang nichts von sich hören. Mein Verstand riet mir immer wieder, diesen Mann zu vergessen. Doch mein Herz war dazu noch nicht bereit.
    Nun hatte David endlich einen besseren Unterschlupf gefunden und wagte es, mich zu sich zu rufen. Im Süden der Toskana gab es viele Ausländer, da fiel ein einzelner Schwede nicht auf. Derzeit reiste David mit einem schwedischen Pass auf den italienisch-schwedischen Namen Daniel Lanotte. Der Familienname gefiel mir ausnehmend gut, doch der Vorname erschien mir verräterisch, denn er war auch in Wirklichkeit Davids zweiter Taufname. Er tat meine Bedenken mit den Worten ab, es gebe viele Daniels auf der Welt und momentan bringe man den Namen überall mit dem schwedischen Königshaus in Verbindung.
    Ich wusste, dass David so tollkühn gewesen war, von Kiel aus zu seiner Familie nach Tartu zu reisen, und später hatte er mir SMS aus vielen Ländern geschickt, aus Polen, Frankreich, Süddeutschland. Er hatte versucht, seine Verfolger abzuschütteln, und glaubte nun, es sei ihm endlich gelungen. Wer seine
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