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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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dass es sich um eine automatische Ansage handelte. «Der gewünschte Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar.» In der Wohnung hörte ich Davids Handy nicht klingeln.
    Ich saß den ganzen Morgen wartend im Haus und rief alle zehn Minuten bei David an, immer wieder vergeblich. Einmal ging ich kurz nach draußen und vergewisserte mich, dass mein Wagen noch an seinem Platz stand. Die schwarze Katze aus der Festung hockte auf der Motorhaube, und ich war mir ganz sicher, dass sie gesehen hatte, wie David wegging.
    Als die Kirchenglocke zwölf Uhr schlug, wurde mir allmählich klar, dass etwas oberfaul war. Würde David überhaupt noch zurückkommen? Er hatte mir kein Vertrauen geschenkt, deshalb pfiff ich auf seine Privatsphäre. Ich wollte sofort darangehen, die verschlossenen Schubladen aufzubrechen.

2
    Die massive Kommode war aus altem Holz, vielleicht aus Mahagoni. Die beiden unteren der vier Schubladen waren nicht verschlossen. Da ich sie ein paarmal mit frischer Wäsche aufgefüllt hatte, wusste ich, dass in der einen Socken, in der anderen Unterhosen lagen. Ich zog sie auf und stellte auf den ersten Blick fest, dass David höchstens einen Satz zum Wechseln mitgenommen hatte. Die Socken mit dem Luchsmuster, der Fanartikel einer Eishockeymannschaft, lagen an ihrem Platz. Ich hatte sie nicht wegen der Mannschaft gekauft, sondern wegen des Raubkatzenmotivs.
    Für die altmodischen Schlösser an den beiden oberen Schubladen hätte man einen knapp zehn Zentimeter langen Schlüssel gebraucht. Ich versuchte sie mit den Fingern zu erkunden, doch nur ein Stück meines kleinen Fingers passte hinein. Also holte ich aus der Küche einen schmalen Löffel und steckte den Griff ins Schlüsselloch, wo ich ihn eine Weile lang hin und her drehte, bis ich zu der Überzeugung kam, dass das Schloss vermutlich nur zwei Einkerbungen hatte. Ein paarmal hatte ich mich schon flüchtig nach dem Schlüssel umgesehen, wenn David nicht in der Wohnung gewesen war. Nun war es Zeit für eine systematische Suche. Allerdings bestand die Möglichkeit, dass David ihn mitgenommen hatte. Natürlich würde ich die Schubladen notfalls auch ohne Schlüssel aufbekommen, immerhin waren Axt und Säge bereits erfunden. Nur um das schöne Holz tat es mir leid.
    Ich untersuchte Davids Kleiderschränke, klopfte alle Taschen ab und schüttelte die Schuhe aus. In Davids Manteltasche fand ich eine unbenutzte Patrone von einem Jagdgewehr und eine Restaurantquittung. Eine Woche vor meiner Ankunft hatte David im Il tre cantoni in Paganico luxuriös gespeist: der Quittung zufolge ein Menü mit fünf Gängen. Er hatte Gesellschaft gehabt, denn auf der Rechnung standen jeweils zwei Portionen Antipasti, Primi und Secondi, zudem waren anderthalb Karaffen Wein und fünf Portionen Kaffee oder Likör getrunken worden. Bei den Antipasti musste es sich um eine besondere Delikatesse handeln, denn sie waren teurer als die Hauptgerichte. Obwohl David groß und kräftig war, hätte er kaum allein so viel in sich hineinstopfen können. Er hatte mir nichts von dem Abendessen erzählt und mich auch nicht in dieses Restaurant geführt. Vielleicht war sein Vermieter vorbeigekommen, um den Zustand der Wohnung zu begutachten, und David hatte ihn zum Essen eingeladen. Doch diese Erklärung schien mir nicht überzeugend.
    In der Küche gab es wenig Geschirr, nur die Grundausstattung für vier Personen. Ich spähte in den Spargeltopf und in die Käsereibe. Kein Schlüssel. Ich selbst hatte den Schlüssel zu meinem Waffenschrank oft in einem Müslipaket oder zwischen den Slipeinlagen versteckt, wo ich sie in Sicherheit wähnte. In der Annahme, dass David nach einer ähnlichen Logik handelte, untersuchte ich die wenigen Lebensmittelpackungen in den Küchenschränken. Weder zwischen den Tagliatelle noch in der Espressopackung wurde ich fündig. Ich setzte mich an den Küchentisch und versuchte mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich den Schlüssel nicht finden würde. Natürlich hatte David ihn mitgenommen.
    David hatte immer schon genau darauf geachtet, dass die Gegenstände in seinem jeweiligen Quartier nicht zu viel über ihn verrieten. Kleider, Körperpflegeprodukte und Rasierer waren neben zwei Büchern die einzigen persönlichen Habseligkeiten, und sie hätten jedem x-Beliebigen gehören können. Gerade deshalb weckten die verschlossenen Schubladen meine Neugier, doch gleichzeitig hatte ich den Verdacht, dass ich darin nichts Besonderes finden würde. David konnte doch wohl nicht so
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