Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
bedroht. Deshalb kann ich dir dazu nichts sagen. Vielleicht steckt einer von Wasiljews Erbprinzen dahinter, den es fuchst, dass das SR - 90 -Radioisotop in die falschen Hände geraten ist, vielleicht aber auch Iwan Gezolian, der das Zeug ja an Wasiljew vermittelt hatte. Womöglich sind sie gar nicht hinter mir her, sondern hinter dem Isotop.»
    David hatte mir nicht verraten, was mit dem Isotop geschehen war. Als ich zu Beginn des vorigen Winters erfahren hatte, dass er mit dem Leben davongekommen war, war alles andere unwichtig gewesen. Erst nach meiner Rückkehr aus Spanien hatte ich begonnen, darüber nachzudenken, was David mir alles verheimlichte. Ein Jahr hatte nicht ausgereicht, es herauszufinden.
    «Du musst mir einfach vertrauen. Lass uns die kurze gemeinsame Zeit nicht mit fruchtlosen Grübeleien vergeuden. Hier bin ich vorläufig in Sicherheit, und du auch.» David zog mich an sich, und ich ließ es geschehen, vergaß wieder einmal Vernunft und Vorsicht, es war mir egal. Sein Bart kitzelte mich, das raue schwarze Haar fühlte sich fremd an, aber seine Berührungen waren so wie früher, seine Küsse so fordernd, wie ich sie kannte, die Wärme seiner Haut war unwiderstehlich.
    Es waren heitere Tage Anfang April. Die Obstbäume blühten, überall grünte es. Die Sonne schien zeitweise so warm, dass wir in T-Shirts herumlaufen konnten, aber oben auf dem Monte Amiata lag noch genug Schnee zum Skilaufen. Wir fuhren von einem kleinen Dorf ins nächste, machten Spaziergänge über die Hügel, küssten uns in leeren Kirchen und bewunderten die modernen Skulpturen in den Kunstparks. Obwohl ich glücklich war, hatte ich die ganze Zeit über ein Gefühl der Unwirklichkeit. Als wäre ich in einen Film geraten, in dem David Regie führte und von dessen Handlung ich nur wusste, dass jederzeit eine überraschende Wendung eintreten konnte.
    In der Wohnung gab es zwei verschlossene Schubladen, deren Schlüssel ich nirgendwo entdeckte, obwohl ich eifrig danach suchte, wenn ich, was selten vorkam, allein war. Ich war davon überzeugt, dass David wusste, was ich tat.
    Ich war seit etwa zwei Wochen in Montemassi, als David einen Anruf erhielt. Wir saßen in der Küche beim Abendessen, als Vorspeise hatte David frisch geerntete Artischocken serviert, deren dunkelviolette Blätter unsere Teller füllten.
    «Pronto!»
, meldete er sich auf Italienisch, wechselte dann zum Englischen über. «Ja, ich bin Daniel Lanotte. Wer ist da?» Er stand auf und ging ins Wohnzimmer. Ich hörte ihn noch einmal fragen, wer am Apparat sei. Dann brach die Verbindung offenbar ab.
    «Perkele!»
, fluchte David auf Finnisch. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck. Ich glaubte, Furcht zu erkennen. Als das Handy erneut klingelte, meldete sich David auf Englisch: «Was soll das? Wer ist da?»
    Ich stand auf und warf die Artischockenblätter in den Eimer für Bioabfall. Das als Hauptgericht vorgesehene Zitronenrisotto blubberte auf dem Herd, ich rührte darin, weil mir nichts Gescheiteres einfiel. David konnte zum Telefonieren nicht ins Freie gehen, wollte mich aber auf Distanz halten. Ich hörte, wie er ins Schlafzimmer ging und die schwere Holztür hinter sich schloss, die seine Worte dämpfte.
    Verdammt, dachte ich. Aber David war kein Auftraggeber, für dessen Sicherheit ich zu sorgen hatte, sondern mein Liebhaber. Von einem Auftraggeber hätte ich verlangen können, die Gespräche mitzuhören, was sich allerdings, wie mich die Erfahrung gelehrt hatte, auch nicht immer durchsetzen ließ. Ich kostete von dem Risotto, das pikant und sahnig schmeckte, und gab ein wenig frisch gemahlenen weißen Pfeffer hinzu.
    David blieb nicht lange fort.
    «Wer war das?», fragte ich, als er in die Küche zurückkam.
    «Mein früherer Chef bei Europol. Nichts Besonderes, nur der wöchentliche Routineanruf, zur Bestätigung, dass ich weiterhin in Sicherheit bin.»
    «Warum hast du dann geflucht?»
    «Weil er uns beim Essen gestört hat,
cara
.» David lächelte, aber nur mit den Lippen. In seinen Augen lag wieder ein unergründlicher Ausdruck, und er wich meinem Blick aus. Er nahm das Risotto vom Herd und rieb Pecorino darüber. Seine starken Hände zogen die Reibe energisch über den Käse. Killerhände, dachte ich unwillkürlich. Rasch trank ich einen Schluck Wein aus der Region, der auf die Artischocken sauer schmeckte. Wieder eine Lüge, oder jedenfalls etwas, wovon ich nichts wissen durfte. David hatte sich auch geweigert, mir von der Nacht zu erzählen, in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher