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Grappas Gespuer Fuer Schnee

Titel: Grappas Gespuer Fuer Schnee
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Gerüchte, die man ernten will, muss man säen
    Die einzige Droge, der ich zuweilen nicht widerstehen kann, ist Wein. Trockener Wein. Nicht geschüttelt, nicht gerührt, einfach in ein schönes Glas geschenkt.
    Ich rauche nicht, nicht mal Nikotin; ich ziehe keine Linien und werfe mir keine Pillen mit dubiosen Inhaltsstoffen ein. Ich schnüffle nicht an Farbverdünnern und knuspere keine Haschischplätzchen. Was Drogen angeht, bin ich einfach eine total langweilige Person.
    Ich weiß gar nicht mehr, wann das Gerücht erblühte: Oberbürgermeister Jakob Nagel wurde verdächtigt, Kokain zu nehmen.
    »Kannst du dir so was vorstellen? Nagel ein Kokser?«, fragte mein Chef Peter Jansen eines Tages. Es war noch vor der Redaktionskonferenz, die jeden Morgen im Verlagshaus des Bierstädter Tageblattes stattfand.
    »Ich bin mir sehr sicher, dass unser Stadtoberhaupt niemals Kokain genommen hat«, beantwortete ich Jansens Frage. »Und weißt du, warum?«
    »Sag’s mir!«
    »Kokain macht die Menschen jovial, zugänglich und charmant. Hast du Nagel jemals so erlebt?«
    Jansen kratzte sich am Kinn. »Wenn du mich so fragst – nein!«
    »Eben«, grinste ich. »Aber ich gehe der Sache natürlich nach. Böse Schlagzeilen sind immer gut fürs Blatt. Vielleicht hat die Droge bei unserem Oberbürgermeister ja eine ganz andere Wirkung. Vielleicht regt sie nur seine Intelligenz an oder stellt ihn ruhig. Von wem hast du das eigentlich, dass Nagel kokst?«
    »Von Mobby Madig. Aber unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit«, antwortete mein Chef. »Du kennst das ja – kleiner Tipp auf dem Herrenklo.«
    »Sicher. Journalisten einen streng vertraulichen Tipp zu geben, das macht Sinn. In unserem Beruf sind wir ja zum Schweigen verpflichtet. Der Madig ist ein elender Intrigant.«
    Jansen lachte. »Klar. Aber wenn was dran ist, hätten wir einen wunderbaren Skandal.«
    Das war wohl wahr. Schnee im Rathaus – eine tolle Story. Doch Madig war ein dubioser Typ. Er hatte zwar nur die Intelligenz eines Toastbrots, aber er hatte es weit gebracht. Als Vorsitzender der SPD im Ruhrgebiet war er ein mächtiger Mann.
    »Ich gehe keinem Skandal aus dem Weg. Wo soll ich anfangen?«
    »Keine Ahnung«, meinte Jansen. »Stell einfach die falschen Fragen zur richtigen Zeit oder die richtigen Fragen zur falschen Zeit. Schüttle alles durch und guck, was dabei rauskommt. Wie immer.«
    »Du hältst mich für eine Dilettantin, die ihre Erfolge nur glücklichen Umständen zu verdanken hat? Herzlichen Dank!« Ich war eingeschnappt.
    »Aber Grappa-Baby! Wohl mit dem falschen Bein zuerst aus dem Bett gehüpft, was? Oder hattest du Stress mit deinem neuen Freund?« Er schaute mich neugierig-amüsiert an.
    »Welcher Freund?« Ich machte ein unschuldiges Gesicht.
    Jansens Grinsen wurde tiefer. »Tu doch nicht so …«
    »Keine Ahnung, was du meinst. Und sowieso – wir müssen jetzt los«, änderte ich das Thema. »Die Konfer enz beginnt gleich.«
    »Ohne mich fangen die nicht an«, lachte er und stiefelte los. »Ich bin nämlich der Chef.«

    Einige Kolleginnen und Kollegen warteten schon, andere waren zu Terminen ausgeflogen. Jansen und ich gehörten seit Jahren zum Stammpersonal des Bierstädter Tageblattes. Sportreporter Simon Harras, die drei Sekretärinnen Susi, Sarah und Stella waren auch schon einige Jahre dabei. Unser fester freier Fotograf und Kameramann saß betont lässig und verkehrt herum auf einem Stuhl. Er hatte die Arme auf die Lehne gestützt, das linke Auge zugekniffen und betrachtete die Sekretärinnen abwechselnd mit einem abwartenden Gesichtsausdruck. Wayne Pöppelbaum, der Bluthund. Er schnappte draußen nach aufregenden Motiven, um sie anschließend der Redaktion zu apportieren.
    Die Runde vervollständigten einige frische Volontäre sowie die Feuilleton-Redakteurin Margarete Wurbel-Simonis. Und Rudi Gies. Der sollte sich um die Kommunalpolitik in der Stadt kümmern. Die nächste Kommunalwahl stand im Sommer an. Experten erwarteten, dass die CDU die Macht übernehmen würde.
    Der Verleger des Tageblattes hatte Gies über Peter Jansens Kopf hinweg eingestellt, was der Stimmung zwischen den beiden nicht sehr förderlich war.
    Gies schlug heute vor, eine Serie mit dem prickelnden Namen ›Wahlprüfsteine‹ ins Blatt zu heben. Jansen bat ihn, den Begriff mit Leben zu erfüllen.
    Es kam das Übliche. Thematische Schwerpunkte zu den wichtigsten Problemen der Stadt setzen und die Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters dazu
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