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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Autoren: Leena Lehtolainen
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er die Yacht
I believe
in die Luft gesprengt und das SR - 90 -Isotop entwendet hatte.
    «Das ist keine Tat, an die ich gern zurückdenke. Ich habe vier Menschen getötet und bin ganz und gar nicht stolz darauf. Damit muss ich leben.»
    Das war die einzige Antwort, die ich bekommen hatte. In Spanien hatte David mir immerhin erzählt, wie er stundenlang im Wasser getrieben war und trotz des Neoprenanzugs vor Kälte geschlottert hatte. Einmal, nach einer halben Flasche Brandy, hatte er noch gesagt, die vier Toten hätten insgesamt Hunderte von Verwandten und Freunden, die um sie trauerten. Zwar hatten die vier Männer ihre Lebensweise selbst gewählt, aber für ihre Angehörigen war das gewiss kein Trost.
    Nachdem wir das Risotto gegessen hatten, machten wir einen Abendspaziergang. Draußen sprachen wir wieder Englisch miteinander. Wir hatten vor, am nächsten Tag nach Siena zu fahren. David schlug vor, früh aufzustehen und Sachen zum Übernachten mitzunehmen. Da die Touristensaison gerade erst anlief, würden wir in der Stadt auch ohne Reservierung eine Unterkunft finden. David wollte mir Simone Martinis Fresko von Montemassi zeigen, das in Siena im Rathaus hing.
    «Ich kenne mich in der Geschichte zu wenig aus, um beurteilen zu können, ob Guidoriccio mit der Eroberung von Montemassi eine Heldentat vollbracht hat. Vielleicht hängt das auch davon ab, wer die Geschichte schreibt», sagte er, als wir in der Festung standen und die schmale Mondsichel betrachteten, die ihren Schein ins Tal warf. Eine schwarze Katze kletterte auf der Mauer entlang, blieb stehen und maunzte, worauf sich im Nu zwei weitere Katzen zu ihr gesellten, eine gelbscheckige und eine graugestreifte. Man sah, dass sich die Tiere gut kannten. Wenn es doch bei den Menschen auch so leicht wäre: Ein Schnüffeln am Hinterteil verriet, ob der andere ein vertrauenswürdiger alter Bekannter war oder jemand, vor dem man sich hüten musste. Da fauchte die graugestreifte Katze die schwarze an, die wüst knurrte, und meine schöne Katzentheorie zerbröselte wie der Blütenstaub, der auf meine Hand geweht war.
    In der Dunkelheit mussten wir uns enger aneinanderdrängen. Die Gerüche waren intensiver als bei Tag, die Umrisse wirkten schwer und wirklich. David drückte mich an die Mauer des Südturms und küsste mich, seine Hände berührten meinen Hals, sie konnten ihn leicht umspannen … Die Montemassiner hatten Herrn Lanotte mit einer blonden Touristin gesehen, also würde deren Leiche nicht ausgerechnet in der Festung liegen können. Wie kam ich überhaupt auf solche Ideen?
    Als wir wieder in der Wohnung waren, meinte David, es sei Zeit, schlafen zu gehen. Doch mir ging so viel im Kopf herum, dass ich keinen Schlaf fand. Ich lag bis weit nach Mitternacht hellwach neben David und spielte sogar mit dem Gedanken, eine Schlaftablette zu nehmen, verzichtete aber darauf, denn sonst wäre ich am nächsten Morgen zu benommen gewesen, um die mit Baustellen und Umleitungen gespickte Strecke nach Siena zurückzulegen. Als ich das letzte Mal auf die Uhr sah, zeigte sie sechs Minuten nach drei.
    Gegen sieben Uhr wurde ich davon wach, dass ich meine Decke weggestrampelt hatte und weiter unten am Hang ein Hahn krähte. Davids Betthälfte war leer. Ich schnupperte erwartungsvoll: Kochte er schon Espresso? Doch der einzige Geruch, der mir in die Nase stieg, was der Duft von Davids neuem Rasierwasser. Als hätte er es gerade eben im Zimmer versprüht.
    Ich zog den Morgenmantel über und ging in die Küche. Der Espressokocher war nicht benutzt worden, er fühlte sich kühl an. War David auf der Toilette, oder war er vielleicht in den kleinen Dorfladen gegangen, um frisches Brot zu kaufen? Meine Lider waren so schwer, dass ich die Augen kaum aufhalten konnte. Ich kühlte sie mit Wasser aus dem Hahn in der Küche. Auf der Toilette war niemand.
    David hatte kein Auto, nur einen Scooter, mit dem er gelegentlich nach Roccastrada oder Paganico fuhr. Da der Scooter vor dem Haus stand, konnte sein Besitzer nicht weit fort sein. Ich ging ins Schlafzimmer. Davids Kleider hingen im Schrank. Doch die Jeans und das blaue Hemd, die Socken und die Unterhose, die er am Abend ausgezogen und über den Stuhl gelegt hatte, waren nirgends zu sehen. Auch seine braunen Lederschuhe und die Jacke waren verschwunden.
    Wahrscheinlich holte David nur Brot.
    Als er um acht Uhr noch nicht zurückgekommen war, rief ich ihn an. Jemand antwortete sofort auf Italienisch, ich verstand genug, um zu erkennen,
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