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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
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sagte sie. »Varesco wird einer der interessantesten Fälle in meinem Buch sein. Die Symbolik ist unverkennbar. Schwierigkeiten mit den Hemden zum Beispiel – für Hemd lese man härenes Hemd mit all seinen Assoziationen – und die ganze Sache wird sonnenklar. Man kann sagen, dass er ein ausgesprochener Verbrechertypus ist. Aber er kann geheilt werden – «
    »Gauner zu bekehren, ist schon immer ein Lieblingstraum der Frauen gewesen.«
    Alice Cunningham blickte ihn kalt an.
    »In dieser Sache ist nichts Persönliches, Monsieur Poirot.«
    »Das ist immer so«, meinte Poirot. »Es ist immer reinste Nächstenliebe – nur ist das Objekt gewöhnlich ein anziehendes Mitglied des anderen Geschlechts. Interessieren Sie sich zum Beispiel dafür, in welche Schule ich ging und welche Einstellung die Hausmutter zu mir hatte?«
    »Sie sind kein Verbrechertyp«, erwiderte Miss Cunningham.
    »Erkennen Sie einen Verbrechertyp, wenn Sie ihn sehen?«
    »Ganz gewiss.«
    Professor Liskeard gesellte sich zu ihnen. Er setzte sich neben Poirot.
    »Sprechen Sie von Verbrechern? Sie sollten das Gesetzbuch von Hammurabi studieren, Monsieur Poirot. 1800 vor Christi Geburt. Höchst interessant. Der Mann, der während eines Brandes stiehlt, soll ins Feuer geworfen werden.«
    Er blickte mit Wohlbehagen auf den elektrischen Grill vor sich.
    »Und es gibt noch ältere sumerische Gesetze. Wenn eine Frau ihrem Mann sagt, du bist nicht mein Mann, so werfe man sie in den Fluss. Ist einfacher und billiger als eine Scheidung. Aber wenn ein Mann das Gleiche zu seiner Frau sagt, muss er nur ein bestimmtes Maß Silber zahlen. Niemand wirft ihn ins Wasser.«
    »Immer die alte Geschichte«, klagte Alice Cunningham, »ein Gesetz für die Frau und eines für den Mann.«
    »Frauen haben natürlich mehr Sinn für den Geldwert«, sagte Professor Liskeard nachdenklich. »Wissen Sie«, fügte er hinzu, »ich liebe dieses Lokal. Ich komme fast jeden Abend hierher. Ich muss nichts bezahlen. Die Gräfin hat das liebenswürdigerweise arrangiert – weil ich sie wegen der Dekorationen beraten habe. Obwohl sie eigentlich nichts mit mir zu tun haben – ich hatte keine Ahnung, warum sie mich befragte –, und natürlich haben sie und der Maler alles ganz falsch aufgefasst. Ich hoffe, niemand wird je erfahren, dass ich auch nur im entferntesten etwas mit dem fürchterlichen Zeug zu tun hatte. Es würde mich auf ewig unmöglich machen. Aber sie ist eine wundervolle Frau – ein wenig wie eine Babylonierin, finde ich. Die Babylonierinnen waren gute Geschäftsfrauen, wissen Sie – «
    Die Worte des Professors wurden von plötzlichem Geschrei übertönt. Man hörte das Wort »Polizei« – Frauen sprangen auf, es herrschte plötzlich ein wildes Durcheinander. Die Lichter verlöschten und der elektrische Grill ebenfalls.
    Inmitten des Tumults fuhr der Professor ruhig fort, Auszüge aus dem Gesetzbuch Hammurabis zu zitieren.
    Als die Lichter wieder aufflammten, war Hercule Poirot auf halber Höhe der breiten Treppe, die zum Ausgang führte. Die Polizeibeamten an der Tür grüßten ihn respektvoll, und er ging auf die Straße hinaus und schlenderte zur Straßenecke. Hinter der Ecke stand an die Wand gepresst ein kleiner, parfümierter Mann mit einer roten Nase. Er flüsterte heiser und ängstlich:
    »Ich bin da, Chef. Soll ich es jetzt machen?«
    »Ja, los.«
    »Aber es sind so viele Polizisten hier.«
    »Das macht nichts. Sie wissen von Ihnen.«
    »Ich hoffe nur, sie werden sich nicht einmischen, das ist alles.«
    »Sie werden sich nicht einmischen. Sind Sie auch sicher, dass Sie Ihr Vorhaben durchführen können? Das Tier, um welches es sich handelt, ist groß und bissig.«
    »Mit mir wird er nicht bissig sein«, meinte das Männchen zuversichtlich. »Nicht mit dem, was ich bei mir habe. Jeder Hund folgt mir dafür in die Hölle.«
    »In diesem Fall«, flüsterte Poirot, »soll er Ihnen aus der ›Hölle‹ folgen.«
     
    In den frühen Morgenstunden klingelte das Telefon. Poirot nahm den Hörer ab.
    Japps Stimme ertönte aus dem Apparat.
    »Sie haben mich gebeten, Sie anzurufen.«
    »Ja, gewiss. Eh bien?«
    »Kein Rauschgift – wir haben die Smaragde gefunden.«
    »Wo?«
    »In Professor Liskeards Tasche.«
    »Professor Liskeard?«
    »Wundert Sie auch, nicht wahr? Offen gestanden, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Er sah so erstaunt drein wie ein neugeborenes Kind, starrte sie an und sagte, er habe nicht die leiseste Ahnung, wie sie in seine Tasche gekommen sind,
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