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Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler

Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler

Titel: Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler
Autoren: Stuart MacBride
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Zwölf trommelnde Trommler
    Es ist einen Moment still – die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm –, und dann öffnen sich die Schleusentore der Hölle. Und zwar an beiden Enden.
    »O nein …« Ich halte das schreckliche Ding so weit wie möglich von meinem Anzug weg, aber es ist schon zu spät: Milchig weißes Erbrochenes pladdert mir voll über die Schulter, während frischer Urin mein Hemd und meine Hose besprenkelt und den Stoff bis auf die Haut tränkt. »Du kleiner Mist…«
    Ich registriere Stephanies Gesichtsausdruck und lasse den Fluch in einen Hustenanfall übergehen.
    Fünfundvierzigjährige Männer sind nicht dafür eingerichtet, mit kleinen Kindern umzugehen. Es ist einfach nicht natürlich. Und klebrig ist es auch. »O Gott …« Er legt schon wieder los, pieselt wie eine lecke Teekanne.
    »Ach, gib ihn schon her, Herrgott noch mal.« Sie streckt die Hände aus, und ich überreiche ihr unser erstes und einziges Kind – so, wie er sich benimmt, dürfte es kaum ein zweites geben. Stephanie macht »dutzi-dutzi«, während ich mir hektisch den Anzug vom Leib reiße und in die letzten sauberen Klamotten steige, die ich besitze: eine Jeans und ein kariertes Hemd. Jetzt sehe ich aus wie ein schlecht gelaunter Holzfäller.
    Nicht mal Zeit zum Duschen habe ich – ich bin so schon spät dran.
    Ich werfe den Anzug in den Wäschekorb, küsse meine Frau auf die Wange – es ist Heiligabend, deshalb gebe ich mir ein bisschen Mühe – und schenke meinem drei Monate alten Sohn das strahlendste Lächeln, das ich unter den Umständen zustande bringen kann. Und nehme die Beine in die Hand.
    Es ist Viertel nach sieben am Morgen des Heiligabend; der Himmel ist schwarz wie verbrannter Toast und schüttet noch mehr Schnee auf das Stadtzentrum herab. Dicke fette Flocken, die zu Matsch zerschmelzen, sobald sie auf dem mit Splitt bedeckten, glänzenden Asphalt auftreffen.
    Mein Atem hüllt meinen Kopf in eine Dampfwolke, als ich die Stufen zu dem wartenden Wagen hinuntereile.
    PC Richardson sitzt am Steuer. Er ist ein großer, schlaksiger Mann mit einem Gesicht, das alte Damen lieben. Heute Morgen sieht er allerdings alles andere als glänzend aus, mit den Ringen unter seinen verquollenen roten Augen und den Stoppeln an Kinn und Wangen.
    Er hat das Radio an, als ich ins Auto springe.
    »…  besorgt um die Sicherheit von Lord Peter Forsyth-Leven, der seit zwei Tagen vermisst wird. Weitere Meldungen: In der St. Jasper’s Kirk wird heute ein Gedenkgottesdienst für die ertrunkene Schülerin Danielle McArthur stattfinden. Wir sprachen mit Danielles Familie  …«
    Richardson stellt den Ton leiser, bis die Stimme des Nachrichtensprechers vom Rauschen der Heizung übertönt wird.
    »Morgen, Chef.« Seine Mundwinkel sacken nach unten. Er seufzt.
    Normalerweise müsste ich dem Kerl eins mit seinem eigenen Schlagstock überziehen, um seine penetrant gute Laune ein bisschen zu dämpfen. Ich will ihn gerade fragen, was los ist, da rümpft er die Nase und starrt auf mein Holzfäller-Outfit.
    »Stinky«, so nennen sie mich hinter meinem Rücken.
    Sie glauben, ich weiß es nicht, aber da irren sie sich. DI George »Stinky« McClain. Ich kann nichts dafür – ich habe eine Funktionsstörung der Schweißdrüsen. Der Himmel weiß, wie Stephanie das aushält. Ich wasche mich drei Mal täglich, benutze ein extra starkes Deo, aber der Geruch sickert am Ende immer durch. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich so einen miserablen Geruchssinn habe. Reiner Selbstschutz.
    Immerhin kann ich es diesmal auf das Baby schieben. Aber das tue ich nicht, ich schnalle mich einfach nur an. »Sie haben die Adresse?«
    »Ja.« Wieder ein Seufzer – wie ein Luftballon, dem man die Luft rauslässt. »Denmuir Gardens Nummer vierzehn, gegenüber der Grundschule.«
    »Natürlich. Welch eine Überraschung.« Ich werfe einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett: achtzehn Minuten nach sieben. Wir sind spät dran.
    Es herrscht kaum Verkehr – nur ein paar Transporter, die Waren ausliefern, bevor die Geschäfte öffnen, leere Busse, die durch die dunklen, menschenleeren Straßen rumpeln, und ein oder zwei arme Schweine, die durch das Schneegestöber zur Arbeit stapfen.
    Und dann verlassen wir das Zentrum und fahren über die Calderwell Bridge. Der Kings River glitzert unter uns wie eine riesige Schnecke, die langsam in Richtung Nordsee kriecht.
    Kingsmeath ist nicht gerade das Schmuckstück von Oldcastle. Ein ausuferndes Konglomerat von
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