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Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler

Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler

Titel: Zwölf tödliche Gaben Zwölf trommelnde Trommler
Autoren: Stuart MacBride
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Doppelhäusern und Wohnblocks, alles Sozialbauten, die in den Sechzigerjahren hingerotzt worden sind – und so sehen sie auch aus: wie zu Beton erstarrte Popel. Kein Wunder, dass hier alle Kleinkriminelle und Junkies sind.
    PC Richardson biegt hinter Douglas on the Mound links ab. Der Kirchturm ist eingerüstet, die Mauern mit Graffiti beschmiert, der Friedhof eingeschneit. Die ganze Fahrt über hat er kaum ein Wort gesagt. Vielleicht ist ja der echte Richardson von Aliens entführt worden, und neben mir sitzt nur seine halbherzig zusammengeschusterte Kopie.
    Wir brauchen fünf Minuten, um Denmuir Gardens zu finden: eine lange Reihe rußverschmierter Doppelhäuser mit durchhängenden Dächern und Satellitenschüsseln. Ungefähr in der Mitte verbreitert sich die Straße: ein vergammelter Spielplatz neben einem einstöckigen rostfarbenen Betonklotz, der als Grundschule Kingsmeath bekannt ist.
    Richardson parkt den Wagen und stellt den Motor ab, während ich meinen Handapparat hervorhole und die Leitstelle anrufe. »Oscar Charlie, hier Charlie Hotel 6, wir sind in Position.«
    Es knackt im Lautsprecher. » Roger. Sie können loslegen, sobald die anderen Einheiten in Position sind. Viel Glück .«
    Ich stecke das Gerät wieder ein, dann lehne ich mich in meinem Sitz zurück und beobachte das Haus. Die anderen zivilen Einsatzwagen des CID und der Transporter des Hundeführers sollten jedem Moment hier sein.
    Wieder ein tiefer Seufzer vom Fahrersitz.
    Ich boxe Richardson in den Arm. »Sie machen ein Gesicht wie zehn Wochen schottisches Sommerwetter. Welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?«
    Er sieht mich an, dann starrt er hinaus auf die Schneeflocken, die vom Himmel herabrieseln und im schwefelgelben Schein der Straßenlaternen wie Goldstaub funkeln. Seine Augen glänzen, dann rollt ihm eine Träne über die Wange, seine Schultern beben, und dann brechen alle Dämme. Er schnieft. Wischt sich mit dem Ärmel über die Augen. Entschuldigt sich für seine Schwäche.
    Du liebe Zeit. Ganz schön peinlich, oder? Einen Moment lang sitze ich einfach nur da. Dann zeigt die Schulung in Personalführung Wirkung, und ich strecke den Arm nach ihm aus und tätschle seine Schulter.
    Er sieht mich an, seine Unterlippe zittert. »Ich habe einen Brief von meinem Arzt bekommen.« Wieder schnieft er und wischt sich die Augen. »Scheiße, tut mir echt leid … Ich … Ich habe letzte Woche Blut gespendet.«
    Er atmet tief durch und schüttelt sich. »Ich bin HIV -positiv.«
    Und ich weiß, dass es dumm ist, und ich weiß auch, dass es falsch ist, aber ich will ihn nicht mehr anfassen. Weil ich ein mieser Feigling bin. Richardson ist seit Jahren in meinem Team, er hat Besseres verdient.
    Ich tätschle noch einmal seine Schulter. »Sind Sie okay?« Eine bescheuerte Frage, aber was soll ich denn machen?
    »Ich habe Sandra nie betrogen, das schwöre ich. Es muss … ich weiß nicht …«
    In unserem Job kommen wir mit allen möglichen zwielichtigen Gestalten in Kontakt – und mit ihren Körperflüssigkeiten. Da reicht ein Tropfen Blut, und du bist geliefert. Arme Sau.
    »Was sagt der Polizeiarzt?«
    »Ich …« Richardson lässt den Kopf hängen. »Ich hab es erst am Mittwoch erfahren … hab’s noch keinem gesagt. Nicht mal Sandra. O Gott.« Die Tränen flossen wieder. »Was soll ich ihr nur sagen? Was ist, wenn ich sie angesteckt habe? Was ist, wenn sie von mir AIDS gekriegt hat?«
    Was zum Teufel sagt man in so einer Situation? Kopf hoch, könnte schlimmer sein? Ich versuche es wieder mit dem Schultertätscheln, aber es hilft nicht, er weint nur umso heftiger …
    Endlich treffen auch Kilo Mike 2 und 3 vom Revier Kingsmeath ein.
    Richard atmet noch einmal mit bebenden Schultern durch und trocknet sich die Augen. Versucht so zu tun, als sei alles in Ordnung.
    Ich mache den Klettverschluss meiner kugelsicheren Weste zu. »Ich will, dass Sie hier bleiben, okay? Behalten Sie das Haus im Auge, während wir reingehen.«
    »Nein, ich bin okay. Sie brauchen doch jeden Mann.«
    Ich schüttle den Kopf. »So viele nun auch wieder nicht. Sie hatten einen Schock. Sie …« Ich hole tief Luft. »Was ist, wenn etwas passiert und Sie jemanden infizieren? Es tut mir wirklich leid; ich weiß, es ist saublöd, aber Sie müssen im Auto bleiben.«
    »Nein, ich muss mit Ihnen kommen, lassen Sie mich nicht …«
    »Glauben Sie mir, ich hätte viel lieber Sie dabei als manche von diesen Kingsmeath-Heinis, aber Sie müssen im Auto warten.
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