Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Barbara Cleverly - Die List des Tigers
    Ein Fall für Detective Joe Sandilands
    Aus dem Englischen von Tatjana Kruse
    Indien, 1922. Detective Joe Sandilands reist auf Bitten des britischen Gouverneurs nach Ranipur, um dort unauffällig nach dem Rechten zu sehen. Offiziell soll er an der Jagd auf einen Menschen fressenden Tiger teilnehmen, der Angst und Schrecken in der Region verbreitet. Aber seine Mission gilt noch einer ganz anderen Bedrohung: Der Maharadscha liegt im Sterben, ohne dass seine Nachfolge geregelt wäre. Für die englischen Kolonialherren ein Grund zur Sorge, denn die Stabilität der ganzen Region ist so in Gefahr. Der älteste Sohn des Herrschers ist bei einem Umfall ums Leben gekommen, und nun stirbt auch noch Prithvi, der zweite Sohn des Regenten, bei einem Flugzeugunglück. Jetzt lebt nur noch ein Anwärter auf den Thron: Bahadur, der zwölfjährige Sohn des Maharadschas und einer Konkubine. Als Sandilands dem völlig verängstigten Jungen im Palast begegnet, ahnt er, dass das Leben des Kleinen in höchster Gefahr ist. Denn im Palast ist ein offensichtlich tödlicher Machtkampf im Gange, in den zahlreiche Personen verstrickt sind. Inmitten einer ihm völlig fremden Welt mit ihren ganz eigenen Regeln muss Sandilands versuchen, hinter prachtvollen Fassaden und betörender Schönheit die Wahrheit zu erkennen -und den nächsten Todesfall zu verhindern ...

Kapitel 1
    NORDINDIEN, 1922
    Putlis Mutter richtete sich unter Schmerzen auf, die Hände auf die Hüften gestemmt, erleichtert, nach zwei Stunden die rhythmische Bewegungsabfolge von Armen und Schultern unterbrechen zu können, froh, endlich aufrecht zu stehen und die sich anhäufenden Bündel aus hohem Gras zu zählen, das unter dem stetigen Schwirren ihrer Sichel zu Boden gefallen war. Das Gewicht des heranwachsenden Babys brachte sie allmählich aus dem Gleichgewicht und machte sie langsamer. Daran konnte kein Zweifel bestehen, aber der frühmorgendliche Arbeitsbeginn, während der wilde Hafer noch feucht war, hatte sich ausgezahlt, und sie freute sich. Sie stieß einen oft geübten musischen Ruf aus, der von ihrer Tochter beantwortet wurde, die nur wenige Meter hinter ihr auf dem steilen Abhang arbeitete, der zu dem Wald hinter dem Dorf führte. Mutter und Tochter freuten sich über diese Pause und lächelten einander in wortloser Zärtlichkeit zu.
    Die Mutter sah zufrieden auf das achtjährige Mädchen. Gestern war der wichtigste Tag im Leben ihrer Tochter gewesen. Sie war gefeiert und vom ganzen Dorf verwöhnt und bis zum Platzen mit Puri und süßer Milch und Bonbons abgefüllt worden. Es war ihr Hochzeitstag gewesen. Putlis Mutter hatte stolz zugesehen, wie das hübsche Mädchen, ihre älteste Tochter, zum ersten Mal das Kleid einer verheirateten Frau anzog. Sie war nicht länger ein Kind in einem einfachen Baumwollkleid, sondern trug jetzt das enge, blaue Oberteil, den kurzen Rock und den Chaddar der Frauen ihres Stammes.
    Putlis Mutter erinnerte sich, wie die beiden kleinen, braunen rechten Hände sich aneinander festgehalten hatten, während Braut und Bräutigam ihre Ehegelübde ablegten, und beglückt hatte sie zur Kenntnis genommen, dass der Junge, der aus einem Nachbardorf ausgewählt worden war, ebenso stark und hübsch war wie ihre Tochter. Die Mutter des Bräutigams, eine entfernte Cousine, hatte ebenfalls ihre Zustimmung gefunden, und das war für Putlis Mutter sehr wichtig. In wenigen Jahren würde Putli ihre Familie verlassen und zu ihrem Mann ziehen und Teil seiner Familie werden. So lief es eben mit Mädchen. Putlis Mutter akzeptierte das, aber es würde sie dennoch traurig stimmen. Gut, sie hatte zwei brave Söhne, die nach Putli auf die Welt gekommen waren und auf die sie zu Recht stolz war, aber ihr ältestes Kind war insgeheim immer ihre Freude gewesen. Sie hatte einen liebevollen Ehemann, der ihr ohne großes Aufheben erlaubt hatte, Putli großzuziehen; nicht alle Mütter, deren erstes Kind ein Mädchen war, hatten soviel Glück. Ihre Fürsorge war durch die ständige gute Laune und Energie des Kindes belohnt worden. Sie würde Putlis verschlafenes Lächeln vermissen, wenn sie am frühen Morgen ohne zu klagen aufstand, um bei der Zubereitung der Mahlzeiten zu helfen und die Töpfe zu polieren; sie würde ihre Unterhaltungen vermissen, wenn sie die Kühe zurückbrachten oder den Weizen ernteten. Das Licht ihres Lebens würde bald schon dem Herzen einer anderen Frau leuchten.
    Putli öffnete den Mund und wollte ihrer Mutter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher