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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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dein Terrain. Nun sorg bitte dafür, dass sie sich im brauchbaren Teil der Öffentlichkeit abspielt und nicht im Rahmen einer polizeilichen Ermittlung.«
    Â»Das hab ich verstanden! Ich schaffe das irgendwie aus der Welt. Ideen sind herzlich willkommen.«
    Â»Auch für Ideen bist du zuständig. Gleich beim ersten Zwischenfall keine mehr zu haben, spricht nicht wirklich für deine Qualifizierung in dieser Sache.«
    Â»Dieser erste Zwischenfall , wie du es nennst, kann uns alles kosten. Wieso hauchte der ausgerechnet an seiner Werkbank sein Leben aus?«
    Â»Kollateralschaden. Wie Beifang beim Thunfisch. Auch da geht hin und wieder ein Delfin mit ins Netz.«
    Â»Der Mann hat vier Kinder, die allesamt nicht auf den Kopf gefallen sind.«
    Â»Im Zusammenhang mit der Todesursache des Mannes eine bemerkenswert poetische Metapher.«
    Â»Du scheinst die Sache nicht sonderlich ernst zu nehmen.«
    Â»Ich habe die Sache in dem Moment ernst genommen, als die Polizei auf dem Tableau erschien. Und dass sie erst mal ohne weitere Ermittlungen wieder abgezogen ist, halte ich für einen ziemlich brauchbaren Beitrag meinerseits zu dieser – wie du es nennst – Sache .«
    Â»Ja ja! Ich hab verstanden. Sieh einfach zu, dass die Wogen flach bleiben, keinen Wind um nix, und schon geht alles wieder seinen gewohnten Gang.«
    Â»Dann sieh du zu, dass du alles auf die Reihe kriegst, ich hoffe, du hast mitgeschrieben.«
    Â» Sire, ich eile .«
    Es war ein Abtasten gewesen. Die erste ernst zu nehmende Situation. Der größte anzunehmende Unfall. Und der eine konnte ihn nicht dem anderen in die Schuhe schieben. Es gab einen Dritten im Bunde, den beide nicht kannten und der beide wie ein kalter Windhauch berührte, obwohl das Fenster geschlossen war.

Kapitel 6
    Auf dem weißen Holztisch neben Rebekkas Bett lagen zwei Bücher, die auf den ersten Blick wie Schmöker aussahen. Tatsächlich war das eine ein Aufsatz über Resozialisierungsmaßnahmen in Gefängnissen und das andere das ›Lexikon der Serienmörder‹.
    Sie hockte in ihrer Kissenburg, das Radio dudelte leise vor sich hin. Rebekka schaltete die Leselampe ein und las ein paar Seiten über die ›totale Institution Gefängnis‹, konnte sich nicht konzentrieren und stand auf. Ihr Großvater war während des Zweiten Weltkrieges am Massaker von Tulle beteiligt gewesen. Das giftgrüne Notizbuch, in dem er die Kontenbewegungen und das Guthaben der in Tulle getöteten Familie Taubman akribisch notiert hatte, lag auf Rebekkas Kommode. Sie ging täglich daran vorbei und spürte eine seltsame Wirkung, die das Buch auch jetzt wieder auf sie hatte. Die einzige Überlebende dieser Familie war die Tochter gewesen, Swetlana Taubman. Ausgerechnet Swetlana Taubman hatte dann dieser Abschaum erwischt. In der Nacht, in der Mathieu Ceva in Paris auf dem Montmartre seinen ersten Mord beging, fiel in Berlin gerade die Mauer. Drei Jahre später wurde Swetlana Taubman sein Opfer. Die Frau hatte den Krieg überlebt, um Zufallsopfer eines Kleinkriminellen zu werden. Für 200 Francs, die er aus ihrer Kommode stahl. Jeder Cent, den Rebekka vom Erbe ihres Großvaters auf die Rache an Ceva verwendete, war Tausende von Cent wert. Der Gedanke an ihn tickte in ihr wie ein Zeitzünder. Es war nur eine Frage von Wochen oder Monaten, dass ihre innere Uhr auf null schalten und eine Explosion auslösen würde, deren Folgen Rebekka nicht abschätzen konnte. Auf den Tag der Entlassung des Monstrums aus seinem Pariser Gefängnis steuerte Rebekka zu wie die Davidianer auf den Weltuntergang, und bis dahin würde sie sich mit den Toten in der Recyclingfirma befassen.
    Draußen im Garten lief Rebekka ohne Schuhe durch den feuchten Rasen bis zum Zaun. Ihr Blick war wach und aufmerksam, obwohl es hier im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu sehen gab. Von dieser Gegend wurde allerdings auch nichts anderes erwartet. Hier wohnte, wem Berlin zu müllig oder zu teuer wurde. Hierher zog, wer noch ein bisschen Hoffnung hatte, diesem Landstrich und seinen Menschen etwas Leben einzuhauchen. Auf Stoppeläckern wuchsen fette Unkräuter, die sich trotzig über jede ölige Bodenverschmutzung hinweg vermehrten. Die Wälder hier reichten immer genau bis zum nächsten Weidezaun, der ein Feld umschloss, das mit seinen großen Pfützen einem Biotop glich und jegliches Weiden verhinderte. Der Boden
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