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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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das Sakko in die Kulissen schleuderte, viel zu lange an der Gürtelschnalle hantierte, die Weste mit Blick in die Kamera aufknöpfte und endlich auszog. Das alles tat er hastig mit Blick auf die billige Kulisse einer Bar und die dort bereit sitzenden Damen, von denen jede auf die Gunst des Jünglings zu hoffen schien.
    Inzwischen waren auch die Taschentücher gebügelt, wo hinein die Hausfrau heimlich rotzte und weinte, wenn sie sich des ganzen Theaters wieder einmal bewusst wurde, zu dem ihr Leben geronnen war.
    Eine Bardame nach der anderen gesellte sich nun zu Mathieu und hakte ihren Körper ein in den Rhythmus und die typischen Tanzbewegungen zur Musik der frühen 90er.
    Â»I’ve got the power, he’s gonna break my heart, he’s gonna break my heart of hearts …«
    Die Damen zerrten schließlich an seinen Hosenträgern bis, ach du Schreck, die Hose fiel und ein schwarzer, gut gefüllter Tanga mit Goldkettchen zum Vorschein kam.
    Â»He’s gonna break my heart, he’s gonna break my heart of hearts, he’s got the power oh-oh-oh-oh …«
    Die Musik war zu Ende, Perchavanne wandte sich bereits seinem nächsten Gast zu, die Damen verließen ihre Barkulisse, und Mathieu sammelte im Hintergrund seine Klamotten ein. Auch das war auf die dürstende Hausfrau abgestimmt, die noch nicht einmal einen ordentlichen Abspann ihrer kleinen Nachmittagsfantasie verdient hatte. Mathieu blieb nun noch einen Moment in ihren Gedanken. Die Sendung war live gewesen, und so wusste die bügelnde Hausfrau den jungen Mann in Paris, vielleicht ganz in ihrer Nähe.
    Was sie nicht wusste, war, dass er kurz vor der Sendung die 60-jährige Swetlana Taubman ermordet hatte.
    Rebekka ballte die Fäuste. Ein unerträglicher Kopfschmerz machte sich mit einem Mal in ihrem Schädel breit. Denn – das sah Rebekka am eingeblendeten Datum der Fernsehaufzeichnung – während Perchavanne gelangweilt den brunftigen Bewegungen seines tanzenden Showgasts folgte, lag Swetlana Taubman auf dem Boden ihres Appartements im XVIII. Arrondissement. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Aus ihrem Mund trat der Schaum sich auflösender Kristalle eines Abflussreinigers.
    Rebekka stand auf und setzte Wasser für eine Chinasuppe auf. Im Posteingang hatte sie eine weitere Mail mit einem Link gefunden. Doch bevor sie auf diesen klicken würde, musste sie sich wieder beruhigen. Die Suppenschüssel in der Hand ging sie zurück zum Computer.
    Wieder wurde sie auf eine Videosequenz des Fernsehsenders TF1 geführt. Diesmal zu einem aktuellen Nachrichtenbeitrag vom Vorabend. Diese Meldung ließ Rebekka erneut zusammenzucken, brachte aber auch genau das Gefühl der Erleichterung, auf das sie schon so lange wartete.
    Â»Er ist gerade 44 geworden, nun darf Mathieu Ceva nach 15 Jahren das Gefängnis La Santé in Paris verlassen. Der ehemalige Komplize von Paco Bertrand, beide auch ›die Mörder der alten Damen‹ genannt, verlässt Paris in den kommenden Tagen und unter höchster Geheimhaltung in eine nicht genannte Region. Eine nur scheinbare Freiheit, denn der ehemalige Kellner des Brazil wird unter strengen Meldevorschriften stehen. Der Name Mathieu Ceva bleibt untrennbar mit dem seines Komplizen verwoben. Vor allem im 18. Arrondissement von Paris ermordeten die beiden in den späten 80er und frühen 90er Jahren vermutlich mehr als 20 Frauen. Dennoch wurde Ceva 1993 allein vor Gericht gestellt. Sein Komplize war zwei Wochen zuvor im Gefängnis von Poissy an Hepatitis gestorben. Cevas Versuch, seinem verstorbenen Partner sämtliche Taten unterzuschieben, misslang. Ein Mord, der an Swetlana Taubman, konnte ihm persönlich nachgewiesen werden. Dafür saß er genau die Strafe ab, die auch Bertrand als der Haupttäter der Mordserie bekommen hatte.«
    Danach gab sein Anwalt ein kurzes Statement ab.
    Â»Ceva wird an einen geheim gehaltenen Ort ziehen und sich dort unter einem anderen Namen niederlassen. Auch er hat das Recht einer zweiten Chance. Er wird arbeiten und Steuern zahlen. Und versuchen, sich ein neues Leben …«
    Während der Anwalt sprach, hatte Rebekka bereits ein zweites Fenster im PC geöffnet und einen Flug gebucht. Air France ab Berlin-Tegel nach Paris-Charles de Gaulle.
    Ihr blieben zwei Stunden. Das Taxi brauchte eine gute halbe davon.

    E N D E

Danksagung

    Ich danke meiner Lektorin Claudia
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