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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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unserem Alter eigentlich schon bestehen und kaum neue neben sich dulden.«
    Erik Assmann kicherte. Ihm ging es richtig gut und mit jedem Schluck Martini offensichtlich noch besser.
    Â»Die Initiative ging also nie von Ihnen aus? Rebekka Schomberg ist doch eine attraktive Frau«, hakte Mark nach.
    Â»Oh ja! Sie ist eine Schönheit, im Auge des Betrachters natürlich, und diese Frau betrachtete ich zugegebenermaßen«, sein Blick wanderte unverhohlen zu Mark, »sehr gern.«
    Voll auf die Eins , dachte Mark und schloss die Augen. Er war wieder so eifersüchtig wie bei Milchmeyers Vernehmung und hasste sich selbst dafür. Er öffnete den oberen Hemdknopf. Strobel musste weitermachen. Und Strobel spürte das.
    Â»Lassen wir den Vorwurf des Stalkings mal außen vor. Sie kennen die Dame aber vor allem von privaten Anlässen?«
    Â»Nein, durchaus auch geschäftlich«, antwortete Assmann, Strobel nun ganz zugewandt.
    Â»Wie sah sie denn aus, Ihre Geschäftsverbindung zu Rebekka Schomberg?«
    Â»Sie kaufte ein Stück aus meiner, entschuldigen Sie, aus Andrew Cascones Kollektion. Einen Paravent. Letzten Sommer war das, glaube ich. Ich müsste nachschauen«
    Rebekkas größter Faux pas . Eine nicht wieder gut zu machende Leichtfertigkeit. Mark war außer sich gewesen, als Rebekka ihm von ihrem Kauf und der Lieferung erzählt hatte. Wer so lebte wie sie, sich am liebsten unsichtbar durch die Welt bewegte, konnte sich keine Möbel liefern lassen wie jeder Durchschnittsbürger, und auch keine noch so bildende Kunst. Er schüttelte innerlich den Kopf und bemerkte nicht, wie aufmerksam Erik Assmann all seine Gesten registrierte.
    Â»Und dann?«
    Â»Dann schrieb sie mich im Internet an. Wollte mich kennenlernen. Es begann bei Facebook , aber wir tauschten auch normale Mails.«
    Mark konnte seine Wut und Enttäuschung nur schwer verbergen. Wüsste auch nur einer von seinem Verhältnis zu Rebekka, würde ihm der Fall weggenommen werden, abgehakt und im Rinnstein der Berliner Gosse enden.
    Â»Wie darf ich mir das vorstellen?«, fragte Strobel höflich. »Bleiben Sie mit jedem in Kontakt, der eins Ihrer Stücke gekauft hat?«
    Â»Ach, das läuft bei mir unter Groupie-Post. Die einen Groupies sind älter, die anderen jünger, stört mich nicht. Ich verkaufe, das zählt.«
    Erik Assmann spürte eine große Genugtuung dabei, Mark Tschirner leiden zu sehen. Das Jungelchen hatte etwas mit der Dame, die sich ausgerechnet in Andrew Cascone verknallt hatte. Das musste wehtun, touché , und das würde er nun so lange durchdeklinieren, bis Rebekka geliefert und er von jedem Verdacht befreit war.
    Â»Aber die Dame hat schon ganz schön was an Tempo vorgelegt, das muss ich sagen«, fügte Assmann süffisant hinzu.
    Â»Haben Sie ihre E-Mails behalten?«, hakte Strobel nach.
    Â»E-Mails, Chats, alles, was Sie wollen.«
    Â»Das lassen wir prüfen«, sagte Mark unwirsch und gab Strobel ein Zeichen.
    Erik Assmann wirkte gut gelaunt, als er sagte: »Das können wir auch direkt hier tun. Wenn Sie erlauben …«
    Er ging zum Schreibtisch und klappte den Laptop auf.
    Â»Kommen Sie ran. Brauchen Sie Stühle? Das könnte länger dauern.«
    Mark und Strobel erhoben sich, beinah gehorsam, und sahen dabei aus wie die Musterschüler, die dem Biologielehrer nun zu dessen Weisheit letztem Schluss folgten: der Bakterienkultur, die in einer Petrischale endlich Leben zeigte.
    Er öffnete ein Word-Dokument, und Mark erkannte bereits an der ersten Zeile Rebekkas Art zu reden – die offensichtlich auch ihre Art zu schreiben war.
    Mark war wie gelähmt. Ganze Monologe standen da mit Ergüssen über die Berliner Kunstszene, ihre Liebe zum Reisen, die Idee, zusammen mit Erik Assmann das Art Institute in Chicago zu besuchen und sich mit den Bronzeplastiken von Magdalena Abakanowicz zu fotografieren an einem der schönsten Plätze im Grant Park am Michigan Lake  … Obwohl Rebekka ihm nie davon erzählt hatte, hörte er sie aus jedem Wort heraus.
    Â»Einen Chat zu speichern, ist mühsam. Ich fügte also alles zu einem Text zusammen. Sie ist toll. Sie ist poetisch, belesen und schlagfertig.«
    Strobel spürte Marks Unbehagen und versuchte, der Situation etwas Brisanz zu nehmen.
    Â»Sie sprachen von einer geschäftlichen Verbindung. Haben Sie sich deshalb Ihre Online-Konversationen
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