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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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sich sicher.

Kapitel 54
    Ulrike klang anders als sonst am Telefon. Es war zehn Uhr morgens. Berlin schwelgte im Sommerfeeling. Rebekka tastete vorsichtig über die Narbe, die sich quer über ihre Nase zog. Der Schmerz von den gezogenen Fäden ließ allmählich nach.
    Sie streifte eine hellblaue Tunika über ihren weißen Häkelbikini und wollte sich gerade auf den Weg zu einem Spaziergang an der Spree machen. Um die Museumsinsel herum, am Monbijoupark, war dieses Morgengefühl der Stadt am intensivsten zu spüren. Die Liegestühle der Strandbar waren noch leer, alles hier schien auf das große Fest am Abend zu warten.
    Â»Rebekka, wir müssen uns treffen.«
    Â»Natürlich, ich bin da. Sollen wir ins Hackend …«
    Â»Es ist ernst. Ich muss dir etwas erzählen. Und meine Brüder kommen mit. Alle drei.«
    So ernst also .
    Jetzt, da der Otto-Fall geklärt war, bedeutete jede weitere Begegnung mit der Familie, dass Rebekka die Lüge größer werden ließe, die zwischen ihr und den anderen stand.
    Â»Mach einen Vorschlag.«
    Â»Heute um sechs, bei mir zu Hause. Schreib dir mal die Adresse auf.«
    An dem Spaziergang hatte Rebekka diesmal nicht die gleiche Freude wie sonst. Der Ausgang des Falls musste die Familie unzufrieden stimmen. Zwölf Morde waren Erik Assmann nachgewiesen worden. Der Prozess lief noch. Thorsten Milchmeyer stand in einem getrennten Verfahren wegen Beihilfe vor Gericht. Und obwohl es das Strafmaß nur marginal verändert hätte, beteuerten beide hinsichtlich des Todes von Karl-Heinz Otto ihre Unschuld. Es konnte für niemanden Genugtuung geben, wenn sie dabei blieben. Und selbst wenn sie auch dafür verurteilt würden, bliebe dieser letzte Fall in Wahrheit doch ein ungelöster.

Kapitel 55
    Ulrikes Wohnung war so klein, dass bei fünf Leuten sofort Hochbetrieb herrschte.
    Achim nahm sie an der Tür in Empfang. Er war der Charmeur wie immer und bewunderte lautstark Rebekkas sommerlichen Aufzug.
    Â»Klasse Kaftan!«
    Â»Danke, Achim.«
    Â»Magst was trinken? Wasser oder Schampus?«
    Â»Gibt’s was zu feiern?«, fragte Rebekka, als sie ins Wohnzimmer kam und dort Nils, Jörn und Ulrike in recht ausgelassener Stimmung mit Sektgläsern in der Hand auf dem Bett lümmeln sah.
    Ulrike sprang auf und legte ihre Arme um Rebekkas Hals.
    Â»Ich freu mich sehr, dass du da bist.«
    Â»Am Telefon klangst du aber gar nicht erfreut.«
    Â»Hmmmm …«, sagte Ulrike kokett, »da warst du ja auch noch nicht hier!«
    Nils stand auf und schenkte Rebekka ein Glas Champagner ein.
    Â»Frieden?«
    Sie schaute ihn verdutzt an, konnte ihre Rolle in diesem offensichtlichen Spiel noch nicht ganz ausmachen. Als ihr Jörn auf die Schulter klopfte, sie aus glasklaren Augen anschaute und zu einer neuerlichen S-Bahn-Runde einlud, musste Rebekka sich setzen. Sie fühlte sich ohnehin noch etwas mitgenommen, seit sie das Krankenhaus verlassen hatte, und kam in Versuchung, die ganze Szenerie als Folge ihrer Kopfverletzung zu interpretieren.
    Ulrike setzte sich neben sie. Doch Rebekka ging nicht mehr auf den spaßigen Ton dieser Veranstaltung ein.
    Mit etwas gedämpfter Stimme fragte sie geradezu: »Feiert ihr hier so ausgelassen, weil Erik und Milchmeyer im Gefängnis sind? Hat euch nicht geschockt, was dort, in eurer Firma, jahrelang gelaufen ist?«
    Es gelang ihr einfach nicht, den Vorwurf aus ihrer Stimme zu nehmen, doch Ulrike reagierte wider Erwarten sehr gelassen.
    Â»Ich habe Erik gemocht, sehr sogar, wie du weißt. Er hat viel für mich getan. Aber nun, gerade jetzt in diesem Moment, tut er mir den größten Gefallen überhaupt.«
    Ringsum verstummten schlagartig Gespräche und Gelächter.
    Achim stand im Türrahmen, als wolle er Rebekka den Weg versperren. Nils lehnte am Fensterbrett. Jörn saß rücklings auf einem Stuhl vor Rebekka. Und Ulrike setzte sich ein Stück von ihr weg, wie, um sie bei dem Folgenden besser beobachten zu können.
    Â»Du hast dich sehr ins Zeug gelegt, den Tod meines …«, Ulrike schaute in die Runde und in unbewegliche Gesichter, »unseres Vaters aufzuklären. Das war sehr groß von dir. Nun bist du also mit uns mitgegangen, das heißt, es wird nun auch zusammengehangen. Prost!« Gläserklirren unterbrach Ulrikes Monolog, Rebekka leerte ihr Glas mit einem Zug. Sie wollte nicht glauben, was jetzt kommen würde. Die
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