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Geheimnisvolle Beruehrung

Geheimnisvolle Beruehrung

Titel: Geheimnisvolle Beruehrung
Autoren: Nalini Singh
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1
    Kaleb Krychek war Kardinalmedialer mit telekinetischen Kräften, ein Mann, dem niemand gern allein im Dunkeln begegnete. Sieben Jahre, drei Wochen und zwei Tage hatte er seine Beute gejagt, selbst im Schlaf hatte sein Bewusstsein das geistige Netzwerk durchkämmt, das pulsierendes Herz und unentrinnbares Gefängnis der medialen Gattung war. Nicht einen Tag, nicht einmal eine Sekunde hatte er mit der Suche ausgesetzt oder gar vergessen, was ihm genommen worden war.
    Wer immer darin verwickelt gewesen war, würde sterben müssen. Niemand würde Kaleb entkommen.
    Doch im Augenblick hatten andere Dinge Vorrang: Die über Jahre gesuchte Person saß in einer Ecke eines fensterlosen Raums in seinem Haus am Rande von Moskau. Kaleb beugte sich vor zu ihr und hielt ihr ein Glas Wasser an den Mund. »Trink.«
    Die Frau rückte nur noch weiter an die Wand, obwohl das kaum möglich schien, und zog die Knie noch höher. Seit er sie vor einer Stunde aus der Gefangenschaft befreit hatte, wiegte sie sich rhythmisch vor und zurück und sagte kein Wort. Ihr Haar war vollkommen verfilzt, ihre Oberarme waren von frischen Kratzern und alten Narben verunziert.
    Noch immer maß sie höchstens knapp über einen Meter fünfzig … das vermutete er jedenfalls. Sicher konnte er nicht sein, denn schon vor der Teleportation hatte sie sich in dieser Kauerstellung befunden und war später nur noch mehr in sich zusammengekrochen. Die mitternachtsblauen Augen wichen seinem Blick aus, sobald er in ihr Blickfeld kam.
    Die Frau senkte den Kopf, und die hüftlangen Haare – von Natur aus glänzend schwarz mit leuchtend rotgoldenen Strähnen – fielen stumpf und fettig über den Schädel mit seinen hohlen Wangen und hervorstechenden Knochen und der durchscheinenden, blassen Haut. Die Fingernägel waren abgekaut und trotzdem blutverkrustet – wahrscheinlich hatte sie sich dennoch heftig gekratzt, vielleicht auch jemand anderen oder auch beides.
    Nun war auch klar, warum der Netkopf und der Dunkle Kopf sie nicht gefunden hatten, obwohl Kaleb ihnen so viele Informationen wie möglich gegeben hatte, um die Suche zu beschleunigen. Die beiden Wesenheiten kannten jeden Winkel des unendlich weiten geistigen Netzwerks, das alle Medialen mit Ausnahme der Abtrünnigen verband, doch sie hatten die Frau nicht wiedererkannt. Ohne den unzweifelhaften Beweis hätte nicht einmal er selbst es vermocht, obwohl er zur Teleportation in ihr Bewusstsein hatte eindringen müssen, denn sie war nicht mehr dieselbe, war nicht mehr das Mädchen, das er einst gekannt hatte.
    Ob der verbliebene Rest ihrer Persönlichkeit mehr als nur eine zerbrochene Hülle war, ließ sich noch nicht beantworten.
    »Trink, oder ich lass dich in deinem Dreck verkommen.«
    Früher hätte sie darauf reagiert – aber wer konnte wissen, ob dieser Teil von ihr noch existierte. Die Akte, die er so sorgsam über die Jahre zusammengetragen hatte, die er immer wieder gelesen hatte, bis er im Schlaf hersagen konnte, was darin stand, war vollkommen nutzlos. Sie war nicht mehr das Mädchen mit dem glänzenden Haar und den Mitternachtsaugen, die unter die Haut drangen und erkannten, was sich dahinter verbarg.
    »Scheint dir ja zu gefallen, wie ein Mülleimer zu stinken.«
    Sie schaukelte schneller vor und zurück.
    Vernünftig wäre es gewesen, so rasch wie möglich einen spezialisierten M-Medialen hinzuzuziehen. Doch das würde er auf keinen Fall tun. Er vertraute nur sehr wenigen Leuten, und in Bezug auf diese Frau traute er niemandem. Da er bislang nicht zu ihr durchgedrungen war, versuchte er etwas anderes, denn er hielt nie an Entscheidungen fest, die ihn nicht weiterbrachten.
    »Deine Lippen sind aufgesprungen, und du hast seit mindestens vierundzwanzig Stunden nicht genügend Flüssigkeit zu dir genommen.« In dem Sekundenbruchteil, in dem er in den vollkommen weißen, durch eine Deckenleuchte in gleißendes Licht getauchten Raum teleportiert war, hatte er die zerbrochenen Flaschen und den feuchten Boden bemerkt.
    Erst hatte er angenommen, die Helligkeit sei der normale Zustand, aber es konnte auch eine Strafe gewesen sein, der Versuch, ihren Willen zu brechen. Es sagte eine Menge über die Frau aus, die sich weigerte, mit ihm in irgendeiner Weise Kontakt aufzunehmen, und zeigte, dass ihr Wille nicht gebrochen war.
    »Wenn du dich umbringen willst, ist Verdursten nicht das Einfachste«, sagte er und beobachtete sie aufmerksam, um nicht die kleinste Reaktion zu übersehen. »Oder bist du zu dumm, um
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