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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: David Gemmell
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PROLOG
    Der Drenai-Herold wartete nervös vor den großen Türen des Thronsaales, flankiert von zwei Nadir-Wächtern, die geradeaus starrten, die schrägstehenden Augen fest auf den Bronzeadler gerichtet, mit dem das dunkle Holz verziert war.
    Er leckte sich die trockenen Lippen und zog den Purpurumhang um seine knochigen Schultern zurecht. Im Ratssaal in Drenan, neunhundert Kilometer weiter südlich, als Abalayn ihn gebeten hatte, diese delikate Mission zu übernehmen war er so zuversichtlich gewesen: eine Reise in das ferne Gulgothir, um die Verträge zu unterzeichnen, die mit Ulric, dem Herrscher der Nadirstämme, geschlossen worden waren. Bartellus hätte in der Vergangenheit geholfen, Verträge zu entwerfen, und war zweimal bei Gesprächen in Vagria im Westen und in Mashrapur im Süden dabeigewesen. Jedermann wußte, wie wertvoll der Handel war und daß die Notwendigkeit bestand, kostspielige Unternehmen wie Kriege zu vermeiden. Ulric würde keine Ausnahme bilden. Zwar hatte er die Völker der nördlichen Steppe überfallen und ausgeplündert, aber diese hatten schließlich auch sein Volk über die Jahrhunderte hinweg mit ihren Steuern und Überfällen ausgeblutet. Sie hatten die Saat ihrer eigenen Zerstörung gesät.
    Nicht jedoch die Drenai. Sie hatten die Nadir immer mit Takt und Höflichkeit behandelt. Abalayn selbst hatte Ulric zweimal in seiner Altstadt im Norden besucht – und war königlich empfangen worden.
    Aber Bartellus war über die Verwüstung in Gulgothir entsetzt gewesen. Daß man die gewaltigen Tore niedergerissen hatte, war nicht verwunderlich, aber viele der Verteidiger waren anschließend verstümmelt worden. Auf dem großen Platz, in der Hauptfestung war ein Hügel aus menschlichen Händen errichtet worden. Bartellus schauderte und versuchte, diese Erinnerungen zu verdrängen.
    Drei Tage hatten sie ihn warten lassen, aber sie waren höflich gewesen – sogar freundlich
    Wieder zupfte er seinen Umhang erneut zurecht, denn er war sich bewußt, daß seine hagere, eckige Gestalt der Heroldsrobe wenig zur Ehre gereichte. Er nahm ein Leintuch aus seinem Gürtel, mit dem er sich den Schweiß von der hohen, kahlen Stirn wischte. Seine Frau warnte ihn ständig, daß sein Kopf verwirrend glänzte, wenn er nervös war. Ihm wäre lieber gewesen, diese Beobachtung wäre unausgesprochen geblieben.
    Er warf einen Blick auf den Wächter zu seiner Rechten und unterdrückte ein Schaudern. Der Mann war kleiner als er und trug einen stachelbesetzten Helm, der mit Ziegenfell eingefaßt war, sowie eine bemalte hölzerne Brustplatte und einen gezackten Speer. Sein Gesicht war flach und grausam, die schrägstehenden Augen dunkel. Falls Bartellus jemals einen Mann brauchte, um einem anderen die Hand abschlagen zu lassen … Er blickte nach links – und wünschte, er hätte es nicht getan, denn der Wächter sah ihn an. Bartellus fühlte sich wie ein Kaninchen unter einem herabstürzenden Habicht und richtete seinen Blick hastig wieder auf den Bronzeadler auf der Tür
    Barmherzigerweise hatte das Warten ein Ende, denn die Türen schwangen auf.
    Bartellus holte tief Luft und marschierte hinein.
    Der Raum war lang; zwanzig Marmorsäulen trugen die mit Fresken versehene Decke. An jeder Säule hing eine brennende Fackel, die düster tanzende Schatten an die Wände warf, und bei jeder Säule stand ein Nadir-Wächter mit einem Speer. Die Augen starr nach vorn gerichtet, marschierte Bartellus die fünfzig Schritt bis zum Thron auf dem Marmorpodest.
    Darauf saß Ulric, Kriegsherr des Nordens.
    Er war nicht hochgewachsen, strahlte jedoch Macht aus, und als Bartellus näher kam, war er vom Aussehen und der spürbaren Energie dieses Mannes beeindruckt. Er besaß die hohen Wangenknochen und das nachtschwarze Haar der Nadir, doch seine schrägstehenden Augen waren überraschend violett. Der dreifach gegabelte Bart gab dem dunklen Gesicht einen dämonischen Anschein, der jedoch durch das warme Lächeln des Mannes Lügen gestraft wurde.
    Was Bartellus jedoch am meisten beeindruckte, war die Tatsache, daß der Herrscher der Nadir eine weiße Drenai-Robe trug, die mit Abalayns Familienwappen bestickt war: einem goldenen Pferd, das sich über einer silbernen Krone aufrichtete.
    Der Herold verbeugte sich tief.
    »Herr, ich bringe Euch die Grüße des Fürsten Abalayn, dem gewählten Führer der freien Völker der Drenai.« Ulric erwiderte den Gruß mit einem Nicken und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, fortzufahren. »Abalayn
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