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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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war so sandig, wie die Bewohner trocken waren. Doch es war nicht ihr Humor, der trocken war, sondern ihr Wesen, vom fehlenden Interesse am anderen geprägt. Hier gab es nur Neugier. Aber kein Interesse. Und genau das war der Grund, warum sich Rebekka hier draußen so wohl fühlte. Denn Neugier ließ sich steuern, kontrollieren und manipulieren. Mit der Rückkehr in das Haus ihrer Mutter hatte sie ihre ersehnte Einsamkeit wieder. Inmitten der brandenburgischen Mentalität fand sie die Abgeschiedenheit, die sie neben dem Getriebe in Berlin so dringend brauchte und die sie jederzeit wie ein selbst gewähltes Asyl wieder verlassen konnte.
    Ihre Mutter war eine aufgeweckte Frau gewesen, geradezu naiv und sorglos im Umgang mit Menschen. Warum sie kurz nach der Wende die lichtdurchflutete Wohnung in Berlin-Marzahn aufgegeben hatte, um im Berliner ›Speckgürtel‹ in ihr Gartenhaus zu ziehen, war Rebekka schleierhaft.
    Frierend rieb sie ihre Füße im feuchten Gras, ging wieder ins Haus und schloss hinter sich ab. Für eine Menge Geld hatte Rebekka die Laube zu einem bewohnbaren Ort für ihre Mutter renovieren lassen. Und dann, als die Mutter gerade begann, ihre Rente zu genießen, starb Monika Schomberg auf einer Kurzreise nach Luxor an einem Hitzschlag. Zu ihrem Grab auf dem hiesigen Friedhof brachte Rebekka je nach Gelegenheit und Jahreszeit einen frischen Strauß von allem, was im Garten blühte. Den Rest der Zeit kümmerte sich die Friedhofsverwaltung um die Pflege. Der Tod ihrer Mutter hatte Rebekka zur letzten Verbliebenen der Familie Schomberg gemacht.
    Die kleine Straße war menschenleer. Alle Autos waren noch genau dort geparkt, wo sie am Abend zuvor abgestellt worden waren. Auf ihren angestammten Plätzen.
    Wenn der Marder nicht die Kabel angefressen hatte, dann würde Bresecke von gegenüber in einer Stunde seinen alten Wartburg starten und frische Brötchen holen für sich und seine Frau. Direkt in der Backstube, in der er selbst bis zur Rente gearbeitet hatte.
    Mit Frau Bresecke plauderte Rebekka hin und wieder ganz gern. Sie hatten sich sogar schon gegenseitig besucht, und damit war Frau Bresecke die einzige Nachbarin, die je einen Fuß in Rebekkas Haus gesetzt hatte. Bei Breseckes daheim hatte die Frau das Zepter in der Hand. Herr Bresecke hatte seinen Rückzugsort in Form einer Wohnzimmernische, in der ein Schreibtisch und ein Regal voller Modelleisenbahnen klemmten. Dem Rest der Einrichtung sah man die Weltoffenheit und das literarische Interesse seiner Frau an, die in Rebekkas Augen so gut zu ihrem Mann passte wie ein Tropfen Dior auf einen Hundehaufen.
    Ulla Bresecke hatte ein interessantes Gesicht aus jeder Menge Falten, die größte teilte ihre Stirn über den eng beieinanderliegenden Augen, die immer lächelten. Ihre Haare waren braun gefärbt und schulterlang, stets mit einer Haarspange hochgesteckt. An ihrem rechten Handgelenk trug sie eine Uhr mit Goldkettchen und an ihrem kleinen Finger drei Brillantringe übereinander. Ihren Ehering hatte sie vor einigen Jahren abgelegt, da er ihren Ringfinger einschnürte, wie sie sagte. Sie las sehr viel und unterhielt sich gern mit Rebekka über ihre neuesten literarischen Entdeckungen. Ulla Bresecke war Journalistin gewesen, allein deshalb verstanden sich die beiden Frauen so gut. Sie konnten wortlos über Themen hinweggehen, die nicht ausdiskutiert gehörten, weil sie zwischen ihnen ohnehin klar waren. Auch nach all den Jahren war das noch nicht Freundschaft zu nennen, aber ein ungewöhnliches und beinah mütterliches Interesse, das Ulla Bresecke ihr entgegen brachte, verband Rebekka mit dieser mitteilsamen Frau. Und das wurde auch von den argwöhnischen Blicken ihres Mannes nicht gestört.
    Der Polizist an der Ecke zum Feldweg startete seine BMW gegen sieben. Dann Krömer. Dann Werner. Dann wäre Ruhe bis zwölf. Dann käme das Postauto, das nie etwas für Rebekka brachte. An ihrem Briefkasten stand, dass sie keine Werbung wünschte. Ihre Post ließ sie an das Vico House schicken, Berlin, Torstraße, zu Händen Rebekka Schomberg.
    Sie schnürte ihre Laufschuhe und joggte eine halbe Stunde lang zur Musik von Sade über den Acker hinter dem Haus. Beim Laufen verflog der letzte Gedanke an das Geräusch am Morgen.
    Bresecke machte sich gerade an seinem Wartburg zu schaffen, der nach dem dritten Versuch endlich ansprang, als Rebekka vor ihrer Tür ihre
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