Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
Vom Netzwerk:
innerlich kochte. Ihm ging Rebekka nicht aus dem Kopf beim Anblick seines bräsigen Gegenübers, dem er gern gesagt hätte, dass man ihm eine Frau wie Sabine Nebel schon auf den Bauch binden müsse, damit überhaupt so etwas wie Körperkontakt entstand.
    Â»Was ich außer Sehnsucht habe, willst du wissen?«
    Â»Genau.«
    Â»Jede Menge Verdachtsmomente hab ich. Bezüglich Karl-Heinz Otto.«
    Der Name schien also auch bis zu Nebel vorgedrungen zu sein, und Mark ahnte, was nun in dessen Kopf vorging. Und das hatte nichts mit Karl-Heinz Otto zu tun. Es war die Frage, was die Weiber wohl an einem wie Mark fanden. Er sah weder aus wie ein Surfer noch wie ein Banker. Er hatte eher den Charme eines Apothekers, der hinter seinen Regalen einen Darkroom betreibt. Und genau das war es wahrscheinlich. Diesem jungen Familienvater traute man auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu. Doch es war der zweite Blick, der die Geister in männliche und weibliche schied. Erstere wurden misstrauisch und schlecht gelaunt. Letztere rückten ihren Busen zurecht und strahlten.
    Â»Bei dem Fall Otto hat alles seine Ordnung. Außer, dass er tot ist.«
    Nebel redete so aufgeräumt wie sein Schreibtisch, als habe er eine Liste im Kopf, auf der er ein Stichwort nach dem anderen nach Benutzung abhakte. Und mit der Liste war er noch nicht fertig, denn er redete trotz Marks abwehrender Handbewegung weiter.
    Â»Ich habe den gerichtsmedizinischen Befund gelesen. Nichts deutet auf Fremdeinwirkung hin.«
    Mark hatte noch immer die Hände gehoben und wartete auf den Moment, Nebel unterbrechen zu können. Doch Nebel war in Fahrt, was selten genug passierte und ihm hier bei gutem Ausgang eine Menge unangenehmer Fragen an die Kollegen ersparte, zu deren Abteilung er sowieso nicht mehr gehörte.
    Â»Dein Freund Otto brauchte keinen Mörder! Das hat er ganz alleine hingekriegt! Verfettete Herzkranzgefäße, hoher Blutdruck, Kalk in der Hauptschlagader …«, Nebel wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn, »der Vorzeigekandidat für einen Schlaganfall.«
    Â»Und?« Mark klang wenig beeindruckt. »War es ein Schlaganfall?«
    Â»So was in der Art. Blutung im Gehirn. Er muss gestürzt und blöd aufgekommen sein.«
    Â»Und woher weißt du, dass keiner ihn hat blöd stürzen lassen?«
    Nebel erhob sich. Er stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab. Sein massiger Oberkörper spannte das Sakko bedrohlich, und Mark war versucht, seine Augen zu verdecken, um sie vor dem demnächst wegspringenden Knopf zu schützen.
    Â»Das ABC der Kriminalistik, Mark! Hier fehlt das Motiv!«
    Geräuschvoll ließ er sich wieder auf seinen Bürostuhl fallen. Ein paar Stichworte schienen noch nicht abgehakt auf seiner Liste, und Mark für ihn offensichtlich die Aufregung nicht wert.
    Â»Der Mann lebte ein – zumindest polizeilich – unauffälliges Leben. Keine Vorstrafen, nichts im Register. Nicht mal ein Delikt im Straßenverkehr. Keine kriminellen Kontakte. Keine gierige Witwe, abgesehen davon auch kein erwähnbares Erbe, lediglich eine Lebensversicherung. Und selbst die – als Motiv so brauchbar wie ein Drink beim Pinkeln.«
    Â»Also habt ihr doch ermittelt?«
    Â»Routine, zwei, drei Anrufe und das war ’s. Nun mach dich mal nicht verrückt, Kollege.«
    Â»Paul!«
    Kaum einer nannte Nebel bei seinem Vornamen. Bei den meisten hieß er ›Küstennebel‹, weil er aus Rostock stammte und auch so redete.
    Â»Du musst hier nicht einen auf Sheriff machen. Ich habe nur auf eine Sache hingewiesen, die mir aufgefallen ist.«
    Â»Ein fast 60-Jähriger fällt tot um, und dir fällt da was auf? Hast du sonst nichts zu tun?«
    In diesem Punkt waren Paul Nebel und Mark Tschirner identisch: Beide waren zu Dingen in der Lage, die ihnen niemand auf den ersten Blick zutraute, erst wenn sie sich benutzt oder für dumm verkauft fühlten, riss der ziemlich dicke Strick namens Geduld.
    Mark schlug einen versöhnlichen Ton an und trug seinen und Rebekkas Verdacht nun zum ersten Mal dorthin, wohin er gehörte.
    Â»Vor diesem gab es noch weitere Todesfälle in dieser Firma.«
    Mit gerunzelter Stirn beobachtete er sein Gegenüber, um zumindest eine Idee seiner Reaktion mitzubekommen. Vergebens.
    Â»Wie in allen anderen Unternehmen dieser Welt. Firmen sind wie ein Familienverband.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher