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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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am Lenkrad, seine Rechte lag auf Rebekkas Oberschenkel, sie lehnte an seiner Schulter. Im Seitenblick nahm er ihre halbgeschlossenen Augen wahr, den leicht geöffneten Mund und das zufriedene Lächeln, das darauf lag. Die ganze Frau war Vorfreude auf ihn, die Spannung in der Luft so stark, dass jedes Wort gestört hätte. Er bog in die Torstraße ein, fuhr auf das Vico House zu und rechts ran, setzte den Blinker. Er hatte noch wenige Sekunden, wofür er lieber die ganze Nacht gehabt hätte. Sie nahm ihre Handtasche, lehnte sich zu ihm. Ihr Gesicht war nun ganz nah an seinem, und die Lippen, an denen er bereits im Bocca di Bacco bei jedem Wort gehangen hatte, dieser Mund, der beim Essen die Gabel umschlossen hatte, dass ihm vor Erregung fast schwindlig geworden war, dieser Mund war nun nah genug an seinem für einen Kuss. Ihre Lippen berührten sich, sie öffnete seine mit ihrer Zunge und ließ ihn ganz behutsam spüren, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie in diesem Moment.
    â€ºIch würde dich gern nach oben begleiten, aber …‹ Er brachte es nicht fertig.
    â€ºDanke, Mark. Ich will nicht die Nacht mit dir verbringen. Aus dem einfachen Grund, weil du mich sowieso nicht vergessen und in zwei, drei Tagen von dir aus anrufen wirst. Und der Sex, den wir dann haben werden, wird besser sein als alles, was wir heute Nacht hätten haben können … Machs gut.‹
    Sie warf ihm eine Kusshand zu und stieg aus.
    Er hatte nicht mal einen Tag gewartet, sondern sie schon am nächsten Morgen angerufen.
    Warum er seine Frau zum ersten Mal betrog, war Mark selbst schleierhaft. Er konnte nicht einmal sagen, dass sie oder das gemeinsame Leben ihm zu fad geworden wären. Er betrog seine Frau, weil es eine Frau wie Rebekka gab.
    Seine Frau bot ihm alles, was er sich wünschen konnte. Wo andere Ehefrauen bequem wurden, legte sie richtig los. Versauerten andere abends vor dem Fernseher, hatte sie einen neuen Yogatreff ausgemacht, zu dem sie regelmäßig ging. Stumpften andere ab, belegte sie einen Online-Sprachkurs. Nahmen andere unkontrolliert an Gewicht zu, widmete sie sich ständig neuen Diäten. Seine Frau sah fantastisch aus, hatte sehr guten Geschmack für Kleidung und Make-up, ihr Körper war eine Augenweide. Die zwei Geburten sah man ihr nicht an, und sie war eine exzellente Mutter. Ihre Arbeit in einer Steuerkanzlei schien sie optimal auszulasten, aber nie kam sie müde oder schlecht gelaunt aus dem Büro. Die Wohnung war ein Zufluchtsort und strahlte Gemütlichkeit und Harmonie aus. Seine Frau stellte keine verfänglichen Fragen, und selbst ein Knöllchen wie das aus der Mohrenstraße wurde bis zur Zahlung kommentarlos an die Pinnwand in der Küche geheftet, neben Einkaufszettel und Weight-Watcher’s -Punkte-Tabelle.
    Rebekka hingegen war das ganze Gegenteil. Sie war eine verschlossene Frau mit Problemzonen und keinem festen Zuhause. Sie roch einen Braten, noch bevor er auf dem Herd stand, und war ein schlafender Vulkan. Musste sie vor ihm gehen, bat sie ihn, die Tür hinter sich zu schließen. Keine Frage, ob er noch da wäre, wenn sie wiederkam, denn Verbindlichkeit war keine Option. Mark hätte jedes Mal in ihren Sachen stöbern können, wenn er es nur gewollt hätte. Doch er wusste, dass er sowieso nichts finden würde. Den Sex mit Rebekka machten weder skurrile Orte noch akrobatische Einlagen aus. Mit ihr zu schlafen war ein Mehrgänge-Menü, das angemessen sättigte. Und für all das hätte Mark Tschirner immer wieder aufs Neue seine Ehe aufs Spiel gesetzt.

Kapitel 5
    Der Stift in seiner Hand rauschte nur so über das Papier und malte Pferdeköpfe, bis ihn eine ganze Herde anstierte aus stechenden, schwarzen Augen.
    Â»Der Tod von Otto fährt uns voll in die Parade! Was hat das zu bedeuten?«
    Â»Ich war nicht dabei, falls du das wissen wolltest.«
    Der eine bekam die Aufregung des anderen mit. Zwei Hunde, so weit voneinander weg angekettet, dass sie sich sehen, riechen, die Ängste des anderen wittern und Drohgebärden ausstoßen konnten, ohne sich zu beißen und dabei ernsthaft zu verletzen.
    Â»Ab jetzt ist die Sache ein Selbstläufer. Es sind genügend Stücke im Umlauf. Die momentane Aufmerksamkeit schadet uns. Ein jungscher Schnüffler ist dabei, ein gewisser Mark Tschirner. Behalte den auf dem Kieker, der will sich hier nur Sporen verdienen. Öffentlichkeitsarbeit ist
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