Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
Vom Netzwerk:
1
    »Phyllis, du weißt, dass du ab jetzt unter Ge brauchtware läufst?«, sagte meine beste Freun din Cosima, als ich mich mit sechsunddreißig Jahren von meinem Mann Mark trennte und aus einem Einfamilienhaus in der Berliner Vorgartengegend Zehlendorf in eine städtische Altbauwohnung an den Prenzlauer Berg zog.
    Na und? Recycling jeder Art war doch zeitgemäß. Zudem bewertete ich meine Chance, eine neue Liebe zu finden, als ausgezeichnet. In Berlin lebten rund zweiunddreißig Prozent aller Kinder bei alleinerziehenden Elternteilen, Tendenz steigend. Rein rechnerisch betrachtet konnte es also an geeigneten Kandidaten nicht mangeln; vorausgesetzt, die Exmänner hatten kein unverhofftes Coming-out, waren nicht gestorben oder nahtlos zur nächsten Frau übergewechselt. Hinzu kamen die vielen Dauersingles, für die Berlin berüchtigt war und die sich spätestens dann, wenn eine Weihnachtsdepression in ihnen aufkeimte, auch auf den Versuch einer neuen Liebesbeziehung einließen.
    Es war ein sonniger Tag Anfang April, als der Umzugswagen vor meinem neuen Zuhause im Prenzelberger Gleimkiez vorfuhr. Mit im Gepäck hatte ich meine drei Kinder – Lorenz und die Zwillinge Maya und Fanny, die sechs beziehungswei se drei Jahre alt waren –, zwei Schildkröten und unseren beige farbenen Cairn Terrier namens Clooney. Da die Straßenzüge im Gleimviertel zwischen der Schönhauser Allee und dem Mauerpark noch nicht einheitlich luxuriös durchrenoviert und die Mieten hier noch etwas günstiger waren als einige Kilometer weiter rund um den Kollwitz- oder Helmholtzplatz, war ich froh, in dieser Gegend eine Wohnung gefunden zu haben. Auch hatte sich die Bionade-Biedermeier-Bourgeoisie, für die ein bestimmter Menschenschlag am Prenzelberg in den letzten Jahren bekannt geworden war, bislang kaum im Gleimviertel niedergelassen. Von der Kiez-Miliz, einer Bande, die Zusammen gegen Yuppies , Berliner scheißen auf die Szene oder TSH als Abkürzung für Totaler Schwabenhasser auf Häuser sprayte und damit ausnahmslos jeden meinte, dessen Familie nicht seit mindestens zwei Generationen in »Ostberlin« oder Brandenburg lebte, blieb man in diesen Straßenzügen noch verschont.
    Während Lorenz von einem Nachbarsjungen aufgefordert wurde, ihn zur Jugendfarm Moritzhof zwei Häuserblocks weiter zu begleiten – ein kleiner Bauernhof am Rand des Mauerparks, in dem Grundschulkinder bei der Tierpflege helfen durften –, nahm ich mir meinen Laptop, bugsierte Maya und Fanny in ihren Zwillingsbuggy und ging mit ihnen und Clooney ins Café St. Gaudy . Dort überflog ich – sobald ich die Zwillinge mit meinem Kinderbeschäftigungsproviant Knet masse und Malzeug sowie einer Portion Eis ruhig gestellt hatte – vierzehn neue E-Mails, in denen die Eltern aus Lorenz’ Zehlendorfer Vorschulklasse hitzig diskutierten, ob auf dem bevorstehenden Sommerfest Popcorn, Waffeln oder Kindercocktails verkauft werden sollten, sowie diverse Absagen von Architekturbüros, bei denen ich mich als Architektin beworben hatte.
    »Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für einen anderen Bewerber entschieden haben. Das sollten Sie aber nicht als Wertung Ihrer persönlichen Qualifikation ansehen …«, hieß es darin. Oder:
    »Nach gewissenhafter Prüfung der eingegangenen Bewer bungen mussten wir eine Auswahl treffen, bei der es sich leider nicht vermeiden ließ, auch Interessenten mit guten Voraussetzungen eine Absage zu erteilen …«
    Ich bereute es, in meinen Bewerbungsanschreiben die Kinder erwähnt zu haben. Doch wie sonst hätte ich erklären können, warum ich knapp drei Jahre lang nicht gearbeitet hatte?
    Im Moment war meine finanzielle Not noch nicht so groß, da Mark während unseres gesetzlich vorgeschriebenen Trennungsjahrs für den Unterhalt aufkam. Da nach der Scheidung damit aber Schluss sein könnte, musste so schnell wie möglich eine Joblösung für mich her.
    Neben den Architekturbüros hatte sich auch Cosima gemeldet und mir zusammen mit einem Smiley einen Link geschickt, der mich auf die Webpage www.zweite-runde-fuer-die-liebe.de weiterleitete.
    Cosima und ich kannten uns noch aus Schulzeiten. Da sie mir von allen Freundinnen am nächsten stand, freute es mich, dass wir nun wieder Nachbarn waren. Mit ihrem Mann Matthias und ihren beiden Töchtern, die im Kindergartenalter waren, lebte sie fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt nahe der Gethsemanekirche. Die Gemeinschaftspraxis, in der Cosima als Anästhesistin und Matthias als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher