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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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mir direkt in die Augen. Sein Blick war so intensiv, dass ich mich am liebsten in seine Arme geworfen hätte. Wie lange ich dastand und nicht fähig war, mich von seinen Augen abzuwenden, konnte ich im Nachhinein nicht sagen – mein Gefühl für Raum und Zeit war mir völlig abhandengekommen.
    »Ich geh dann mal wieder«, hauchte ich schließlich. Dabei wurde mir auf einmal so schwindelig, dass ich fürchtete, zu allem Überfluss zu stolpern und vor Jesco auf die Nase zu fliegen. Ich drehte mich um, ging wieder nach draußen und hatte völlig vergessen, dass ich eigentlich aufs Klo wollte.
    Zurück an meinem Tisch sah ich mich angespannt um. Hoffentlich kam Raoul nicht ausgerechnet in dem Moment, wenn Jesco das Café verließ. Zur Ablenkung nahm ich mein Handy und mistete alte Kontakte aus.
    »Ich hab übrigens was für dich dabei«, ertönte plötzlich Jescos Stimme neben mir. Ich sah hoch. Wortlos legte er einen Umschlag vor mir auf den Tisch und ging weg.
    »Was?«, sagte ich stammelnd. »Warte mal …«
    Doch Jesco war schon um die nächste Häuserecke verschwunden.
    Mit zittrigen Händen öffnete ich den Brief und zog einen Farbausdruck heraus, auf dem die gleiche Hand abgebildet war, die vor mir auf dem Tisch lag.
    Das konnte doch nicht sein! Ich kniff mich in den Arm, um sicherzugehen, dass ich nicht träumte: Raoul war in Wahrheit Jesco. Aber wie hatte er von meiner Anzeige erfahren? Jesco war doch niemand, der in Kontaktbörsen stöberte, und schon gar nicht auf einer Internetseite der Zweiten Runde für die Liebe .
    Benommen drehte ich das Papier um. Auf der Rückseite stand:
    »You may be through with the past, but the past may not be through with you. Falls du mir keine neue Chance gibst, verstehe ich das. Falls doch, komm nächsten Mittwoch um sechs Uhr früh zum Flughafen Schönefeld, internationale Abflughalle, Lufthansa-Schalter. Sommerkleider reichen aus, in Namibia ist es heiß.«
    Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, rief ich Jesco an, erreichte aber nur seine Mailbox. Dann wählte ich Cosimas Nummer, da sie die Einzige war, der ich von meiner Kontaktanzeige berichtet hatte.
    »Hast du Jesco angerufen?«, fiel ich mit der Tür ins Haus, kaum hatte sie abgenommen.
    »Wie bitte?«, antwortete Cosima und tat so, als verstünde sie nicht, was ich meinte.
    »Aber er muss es von dir wissen!«, schrie ich, aufgewühlt wie ich war, und erzählte meiner Freundin, was passiert war.
    »Ich schwöre, kein Wort mit Jesco geredet zu haben!«
    »Aber wie hat der dann von der Anzeige erfahren?«
    »Von Claire, nehme ich an«, überraschte mich Cosima mit ihrer Antwort.
    »Was?!«
    »Ich hab sie zufällig getroffen und ganz nebenbei deine Anzeige erwähnt«, sagte Cosima und unterdrückte ein Lachen. »Es war ja kaum noch mit anzusehen, wie sehr du deinen Liebeskummer monatelang unterdrückt hast.«
    Ich überlegte hin und her, ob ich mich auf das Wagnis der Namibiareise wirklich einlassen sollte. Vom Termin her war der Trip perfekt getimt. Die Kinder, deren Sommerferien gerade begonnen hatten, würden mit Mark verreist sein – auch das hatte Cosima via Claire Jesco wissen lassen.
    Dennoch fragte ich mich, ob es Sinn hatte, eine Liebesbeziehung mit einem Mann anzufangen, an dem ich mir schon mal die Finger verbrannt hatte. Mein Leben verlief endlich in geordneten und soliden Bahnen, und die Wunden meines Liebesschmerzes waren halbwegs verheilt. Sollte ich ihr erneutes Aufreißen wirklich riskieren? Und hatte Jesco am Ende nicht recht damit gehabt, dass unsere Leben nicht zusammenpassten und es deshalb keine langfristige Perspektive für uns gab? Lag es überhaupt im Rahmen des Möglichen, dass er mich glücklich machen könnte, und andersherum ich ihn?
    Wieder und wieder versuchte ich, Jesco zu erreichen. Durch ein Gespräch mit ihm erhoffte ich mir, zu mehr Klarheit zu gelangen. Doch Jesco reagierte weder auf meine E-Mails noch auf meine Nachrichten, die ich auf seiner Mailbox hinterließ.
    Schließlich fragte ich Anouk um Rat. Die jedoch fand Jescos Aktion so lässig und romantisch, dass sie mir jeden Zweifel an der Reise rigoros verbot und noch am selben Tag eine tierliebe Kundin auftat, die bereit war, Clooney zu sich in Pflege zu nehmen.
    »Um deine Blumen und die Schildkröten kümmere ich mich«, verkündete sie außerdem. »Und jetzt hör endlich auf, dich zu zieren, und fang an, deine Sachen zu packen. Was bringt dir ein funktionstüchtiger Alltag im ruhigen Fahrwasser, wenn dir das
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