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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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Berlin bis hin zu stylischen Handyhüllen. Während Clooney vor der Eingangstür Krümel aufspürte und meine Töchter versuchten, in der Spezialecke für die vielen schwangeren Prenzelberg-Kundinnen auf das Regal mit den Mandel-, Jojoba- und Arnikaölen zu klettern, kam ich mit der Inhaberin ins Gespräch, die ihren Laden nach sich selbst benannt hatte.
    Anouk, die ich auf Anfang vierzig schätzte, hatte ein extravagantes Neckholderkleid mit Batikprint an und trug ihre langen, dunklen Haare offen. Sie beglückwünschte mich zu meiner Entscheidung, in den Kiez mit der gefühlten höchsten Kinderdichte Europas gezogen zu sein. Dass ich es überhaupt so viele Jahre mit einem einzigen Mann im öden Zehlendorf ausgehalten hatte, erstaunte sie sehr.
    »Ich kriege in diesen Vorgartengegenden sofort Beklemmungen«, sagte sie, während sie eine Yogi-Teemischung mit zauberhafter Pfefferminze für »Wellen schlagende Sinnlichkeit« aufbrühte und mir auch eine Tasse anbot.
    »Wenn ich da abends durch die Straßen gehe und überall zugezogene Gardinen sehe, muss ich immer an den Krimi Hier wohnt das Unglück denken.«
    Anouk hatte zwei Söhne von zwei verschiedenen Männern, von denen sie sich jeweils während der Schwangerschaft wieder getrennt hatte. Aktuell war sie liiert mit einem Mann namens Tim, den sie über die »grüne Schleife« kennengelernt hatte. Ihre große Liebe schien er aber nicht zu sein, denn sie nannte ihn bereits ihren zukünftigen Exfreund.
    Als ich nachfragte, was es mit der »grünen Schleife« auf sich hatte, kramte sie ein dickes, grünes Band aus ihrer Schublade und band es mir an den Zwillingsbuggy:
    »Es ist ein Zeichen dafür, dass du Single bist. Das machen wir hier alle so.«
    Dass es mir überhaupt gelingen würde, trotz meiner drei kleinen Kinder, die bis auf jedes zweite Wochenende bei mir leben würden, in absehbarer Zeit einen neuen Mann an mich zu binden, stellte Anouk noch weniger infrage als ich. Ihrer Meinung nach wuchs der Resale-Beziehungsmarkt für Menschen mittleren Alters kontinuierlich, während das konservative Familiengebilde zu einem Auslaufmodell verkümmerte.
    »Viele Kinder kennen die klassischen familiären Strukturen gar nicht mehr«, fuhr Anouk fort und erzählte mir von Zoe, der Tochter einer verheirateten Bekannten. Bei ihrer Einschulung las die Klassenlehrerin den Kindern zwecks Datenberichtigung die Namen ihrer Eltern vor. Zoe war die Einzige, deren Vater und Mutter denselben Nachnamen trugen. Die ganze Klasse brach darüber in Gelächter aus, und die Kinder hänselten sie mit: »Igitt, sind deine Eltern etwa Geschwister?«
    Auf dem Weg nach Hause kam mir ein gut aussehender Mann entgegen. Als er das grüne Band im Wind flattern sah, lächelte er und gab mir ein Daumen-hoch-Zeichen.
    Mir war das peinlich, und ich sah weg.
    Schlagartig wurde mir klar, dass ich mich nach zehn Jahren Ehe kaum noch daran erinnerte, wie es sich anfühlt, wenn man flirtet. Das Kennenlernen von Männern, die Anfangs spielchen, das erste Date und das erste Mal Sex mit einem neuen Mann: »Wie geht das noch mal?!«
    Nachdem ich mit den Zwillingen zum Moritzhof gegangen war, um Lorenz abzuholen und die Ponys und Hasen zu streicheln, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Schon von Weitem erkannte ich Cosima an ihren hellblonden, zusammengebundenen Haaren, ihrer Jeans plus California-Style-Shirt und ihrer orangefarbenen Beutelhandtasche, ohne die sie nie das Haus verließ. Mit ihren Töchtern an den Händen erwartete sie mich vor der Haustür.
    »Schöne Wohnung, Phyllis«, sagte sie, nachdem wir in den dritten Stock gestiegen waren, unseren Kindern ein Hörspiel angestellt hatten und uns in meinen drei Altbauzimmern plus Wohnküche und Balkon umsahen. »Ein Glück, dass du sie gefunden hast und deinen Mann endlich los bist!«
    Sie überreichte mir ein dekorativ verpacktes Geschenk. Mom, There’s a Man in the Kitchen and He’s Wearing Your Robe lautete der Titel des amerikanischen Ratgebers für Singlemütter.
    »Da stehen praxisnahe Tipps drin für die Affären, die du Glückliche jetzt wieder haben kannst.«
    Da Cosima selbst in Erwägung zog, sich aus ihrer Ehe, der die Leidenschaft abhandengekommen war, zu verabschieden, beneidete sie mich um meine zurückerlangte Freiheit und die orgiastische Aussicht, die auch für mich etwas Verlockendes hatte. Schließlich hatte ich mich während meiner letzten Ehejahre im gutbürgerlichen Sarkophag wie scheintot gefühlt. Ist man in einer solchen
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