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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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betreuen sollte, bis wir am Abend nach Hause kamen. Außerdem sollte es im Krankheitsfall einspringen und auch die vielen Kita-Dienste übernehmen.
    Unser erstes Au-pair-Mädchen Jana machte einen aufgeweckten, patenten und weltgewandten Eindruck. Leider hatte sie aber eine seltsame Vorstellung von Verantwortung. So erfuhren wir nach einigen Wochen, dass sie während der Stunden, in denen sie auf Lorenz aufpassen sollte, ein paar Straßen weiter putzen ging und unseren Sohn dorthin mitnahm. Eine Nachbarin beobachtete, während Jana im Haus sauber machte, wie Lorenz im Kinderwagen festgeschnallt stundenlang im Garten saß und weinte. Heimlich folgte sie unserem Au-pair-Mädchen nach Hause und informierte uns über den Vorfall. Mark und ich waren völlig schockiert – nicht auszudenken, was Lorenz mit diesem verantwortungslosen Au-pair alles hätte passieren können! Wir kündigten Jana fristlos und versuchten unser Glück erneut.
    Unser zweites Au-pair-Mädchen Amira schlossen wir vom ersten Moment an ins Herz. Besonders Lorenz war regelrecht in sie verliebt, und wir hofften schon, dass sie länger als ein Jahr bei uns bleiben würde. Einige Wochen später bat Amira uns aber kleinlaut um ein Gespräch: Sie war schwanger. Und wollte deshalb – verständlicherweise – so bald wie möglich zu ihrem Freund nach Leipzig ziehen.
    Unser drittes Au-pair-Mädchen Elin akquirierten wir aus einem Appenzeller Bergdorf in der Schweiz. Ihre verklärten Vorstellungen vom aufregenden Großstadtleben, die sie nach Berlin gelockt hatten, hielten der rauen Realität jedoch keinen Tag lang stand. Schon die Fahrt mit der U-Bahn war ein Abenteuer, dem sie sich nicht gewachsen fühlte, da sie weder einen Fahrplan lesen noch einen Fahrkartenautomaten bedienen konnte. Und als die Kassiererin im Supermarkt nicht verstand, was sie mit einem Säckli meinte, brach sie darüber in Tränen aus und traute sich danach nicht weiter als bis zum nächsten Spielplatz aus dem Haus. Als Elin wegen starken Heimwehs den Wunsch äußerte, ihr Jahr in Deutschland früher als geplant zu beenden, waren Mark und ich erleichtert darüber, zukünftig nicht noch ein weiteres Kind im Haus zu haben, mit dem wir z’nüni, z’vieri und z’nacht essen mussten.
    Für einen weiteren Au-pair-Versuch fehlten uns Nerven, Kraft und Zeit. Eine Alternative musste her, und nach einem intensiven Brainstorming fanden wir die ideale Lösung: Eine fulltime (plus Überstunden), fest angestellte, gelungene Mischung aus der früheren Supernanny Katharina Saalfrank und der Sitcom-Nanny Fran hätte all unsere Probleme gelöst und uns als Kinderfrau und Haushälterin zugleich vollständig den Rücken freigehalten.
    Leider hatte diese Lösung einen Nachteil: die Kosten. Auch nach Abzug der maximalen steuerlichen Absetzbarkeit wäre ihr Lohn höher gewesen als mein Gehalt. Das nämlich war wie bei den meisten Architekten relativ niedrig.
    »Und jetzt rate mal, was mein Ex als Nächstes gesagt hat?«, forderte ich Bernd auf und merkte, wie meine Stimme bebte, da mich Marks Verhalten immer noch wütend machte.
    »Keine Ahnung.«
    Ich trank meinen Wein in einem Schluck aus.
    »Er hat mich allen Ernstes gefragt, ob er mir den Luxus, arbeiten zu gehen, wirklich finanzieren muss!«, rief ich aufgebracht.
    »Als du im ersten Jahr nach Lorenz’ Geburt nicht gearbeitet hast, lief alles entspannt«, äffte ich Mark nach. »Drunter und drüber geht es erst, seit du wieder im Büro bist. Dein Job verursacht Stress. Nicht nur für dich, sondern auch für mich und unseren Sohn. Und finanziell springt kaum etwas dabei he raus. Wozu also die ganze Hektik? Die Mutterschaft sollte doch eine größere Erfüllung sein als die Karriere.«
    Ich sah Bernd an und erwartete eine mitfühlende Bemerkung.
    »Das war doch wirklich die Höhe, findest du nicht?«
    »Ja, ja, natürlich«, murmelte er.
    Wäre ich bei klarem Verstand gewesen, hätte ich meine memoirenartigen Ausführungen spätestens jetzt beendet. Doch wegen meiner Alkoholbrille und weil ich mich außerdem in Rage geredet hatte, fuhr ich unbeirrt fort:
    »Damals hatte ich das Gefühl, meinen eigenen Mann nicht mehr zu kennen oder ihn vielleicht nie richtig gekannt zu haben. Ich hab gedacht, ich spinne: Im einundzwanzigsten Jahr hundert musste ich plötzlich darum betteln, meinen Beruf aus üben zu dürfen! Das ist doch krass, oder?«
    »Klar, du hast schon recht …«
    »Kennst du den Spruch: ›Gib einem Menschen Macht und Erfolg, und du erkennst
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