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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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nach.
    Ermuntert durch die einsetzende Wirkung des Weins plauderte ich weiter aus dem Nähkästchen:
    »Ja, genau. Meine beruflichen Probleme und der Niedergang meiner Ehe fingen an, als unser erstes Kind Lorenz gerade ein Jahr alt geworden war und in der Kita Panama eingewöhnt wurde.«
    Panama , erzählte ich weiter, war ein sogenannter Eltern-Initiativ-Kinderladen und die einzige Kita in unserem Bezirk, in der wir einen Betreuungsplatz ergattern konnten – und das nur in allerletzter Minute, weil unverhofft ein Kind abgesprungen war. An einem Freitag kam die frohe Botschaft, am nächsten Montag ging es los. Der Träger des Kinderladens war ein von Eltern gegründeter Verein, der zwar für jedes zu betreuende Kind dieselben finanziellen Zuschüsse erhielt wie eine staatliche Kita, dessen Organisation jedoch einem Elternvorstand oblag, der sich einem strikten erzieherischen Programm verschrieben hatte.
    Mit dessen Regel Nummer eins wurde ich gleich an Lorenz’ erstem Tag konfrontiert: Alle Eltern mussten sich für die Eingewöhnung ihrer Kinder mindestens vier oder besser noch sechs Wochen Zeit nehmen. Auf Schritt und Tritt sollte man während dieser Zeit seine Kinder durch den Kita-Alltag begleiten, bevor man die eigene Anwesenheit ausschleichen durfte.
    Da ich mit einem so hohen Zeitaufwand für Lorenz’ Eingewöhnung nicht gerechnet hatte, stand ich plötzlich vor einem Problem. Meinem Chef im Architekturbüro Roger Kanitz hatte ich nämlich in meiner Euphorie gleich nach der Zusage für den Kita-Platz meinen Wiedereinstieg in den Job für zwei Wochen später angekündigt.
    Die erste von vielen Streitereien mit Mark entbrannte darüber, wer von uns beruflich in dieser Situation zurückstecken würde. Mark, der mit wichtigen Gerichtsterminen aufwarten konnte, gewann den Streit. Ich hingegen musste meinen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt um weitere Wochen nach hinten verschieben.
    »Übrigens frage ich mich bis heute«, fügte ich hinzu, »warum in vielen Kitas eine so lange Eingewöhnungsphase mit den Eltern zum Pflichtprogramm gehört. In den Kinderbetreuungseinrichtungen von Hotels, Ferienclubs, Fitnesscen tern oder Kaufhäusern gibt man seine Kinder schließlich auch kurz und schmerzlos ab. Und ich beobachte immer wieder, dass den Kids der Abschied von ihren Eltern dort viel leichter fällt und …«
    Da mir auffiel, wie lange ich schon redete, hielt ich mitten im Satz inne.
    »Interessiert dich das eigentlich alles?«, vergewisserte ich mich. »Ich will dich nicht langweilen.«
    »Das tust du nicht«, entgegnete Bernd und warf einen flüchtigen Blick auf mein Dekolleté. »Erzähl ruhig weiter.«
    »Okay«, sagte ich. »Irgendwann bin ich endlich wieder jeden Morgen ins Büro gefahren, nachdem ich Lorenz in der Kita abgesetzt hatte.«
    Mit Roger Kanitz, fuhr ich fort, hatte ich mich vorläufig auf eine Dreißigstundenwoche geeinigt. Bald aber merkte ich, dass das nicht reichte. Wenn man als Architekt erfolgreich sein will, muss man flexible Arbeitszeiten akzeptieren, was bedeutet, dass man vor Wettbewerbseinreichungen auch an Wochenenden und bis tief in die Nächte hinein arbeiten muss.
    Mark, der damals täglich rund zwölf Stunden im Büro verbrachte und es sich zum Ziel gesetzt hatte, Partner seiner Anwaltskanzlei zu werden, war keine Unterstützung. Im Gegenteil. Andauernd musste ich mit ihm Machtkämpfe darüber ausfechten, wer von uns sich spontan freinahm, wenn die Kita anrief, weil Lorenz einen grippalen Infekt ausbrütete und frühzeitig abgeholt werden musste; wer einmal im Monat die von Eltern zu leistenden Koch-, Gartenpflege- oder Putzdienste übernahm; wer den Gesprächseinladungen von Lorenz’ Erzieherin folgte, die uns engmaschig über ihre Eintragungen in das Sprachlerntagebuch unseres gerade mal einjährigen Sohnes sowie über dessen feinmotorische, grobmotorische und psychosoziale Entwicklung auf dem Laufenden halten wollte (und dies stets zu den allgemein üblichen Arbeitszeiten), oder wer sich wenigstens alle halbe Jahr einmal für einen der wei teren Sonderelterndienste zur Verfügung stellte. Ob es um einen Ausflug an einem Montagmorgen ging oder um einen neuen, farbenfrohen Wandanstrich für den Gruppenraum an einem Mittwochnachmittag – ständig wurden wir aufgefordert, unter der Woche tagsüber mitzuhelfen.
    Mark und mir wurde bald klar, dass es so nicht weitergehen konnte.
    Wir stellten deshalb ein Au-pair-Mädchen ein, das Lorenz nachmittags aus der Kita abholen und so lange
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