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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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den großen Firmen. Und wenn keine Anzeige geschaltet wird, werden Fragen gestellt. Es müsste ein Leichtes sein, die Personalakten durchzugehen.«
    Â»Ich bin in dieser Sache ganz bei dir, Rebekka, keine Angst. Nur musst du dir über das Risiko im Klaren sein, das du eingehst, wenn du hier etwas lostrittst.«
    Â»Lostreten kann ich nur, was bereits lose herumliegt.«
    Â»Sicher. Es wird allerdings schwer, an die Namen der Verstorbenen heranzukommen, und ich selbst habe keinerlei Handhabe, dort herumzuschnüffeln. Die Kollegen waren routinemäßig vor Ort, weil der Mann an seinem Arbeitsplatz verunglückt ist, haben alles aufgenommen, nichts Verdächtiges entdeckt, und das war’s.«
    Â»Dann war das jetzt wohl ein Auftrag für mich?«
    Mark konnte nicht sehen, dass Rebekka sich schon die ganze Zeit Notizen machte, doch er wusste, dass sie verstanden hatte.
    Â»Okay, Kleines, sein Name ist Karl-Heinz Otto. Die Todesursache ist vermutlich …«
    Â»Ja?«, hakte sie nach, »ich bin noch dran!«
    Er riskierte viel, wenn nicht sogar alles, wenn er Rebekka diese Art von Informationen gab.
    Â»Ein Schlag.«
    Â»Auf den Kopf? Ins Genick?«
    Rebekka erkannte sich in ihrer Abgeklärtheit selbst kaum wieder und trank zwei hastige Schlucke aus ihrer Bierflasche.
    Â»Lass dich nicht bitten!«
    Â»Bist schon nah dran. Ich darf dir nichts weiter sagen, Süße!«
    Das vertraute Kosewort holte Rebekka zurück in die Realität. Von diesem Moment an war Mark nicht mehr der Ermittler bei der Berliner Kripo. Er wurde wieder zu dem Mann in ihrem Leben, den sie nie heiraten und doch immer lieben würde.
    Â»Wann sehen wir uns?«
    Seine Frage war das übliche Schlusswort ihrer seltenen Unterhaltungen am Telefon. Rebekka schaute auf die Uhr. Bis zum Vico House war es nicht weit, und da Freddy, ihr bester Freund unter den Angestellten, Dienst hatte, konnte sie ihr Zimmer mieten, selbst wenn es nur für einen Tag oder den Rest davon war.
    Â»Heute.«
    Â»Ich weiß«, entgegnete Mark in seiner selbstbewussten Art, die das Kribbeln in Rebekkas Körper nun direkt in ihren Unterleib dirigierte. »Wenn ich frage ›wann‹, dann will ich wissen, um welche Uhrzeit.«
    Â»Ich brauche eine halbe Stunde.«
    Â»Ich nur 20 Minuten. Also warte ich auf dich.«
    Der Barkeeper des Hackendahl winkte ihr noch mit einem Geldschein hinterher, der sein übliches Trinkgeld übertraf, doch Rebekka war schon aus der Tür und bog in die Torstraße ein.

Kapitel 3
    Schon als Kind hatte Rebekka ein Faible für Statistiken gehabt. Aus ihrem Kinderzimmer blickte sie damals runter auf die Straße und notierte, wie viele Autos pro Stunde vorbeifuhren. Sie hockte vor der Kaufhalle und zählte die Leute, die hineingingen und herauskamen, und wirkte so noch seltsamer, als es sowieso schon der Fall war. Sie war der kleine Feuermelder gewesen, der überall herumstand. Und wo es etwas zu zählen und zu notieren gab, entwickelte sie die eine oder andere neue Erkenntnis. Stoßzeiten im Straßenverkehr und in der Kaufhalle zum Beispiel, wie viele Leute Wartburg und wie viele Skoda fuhren, und welche Menschen es waren, die bitteres Tonic­wasser kauften. Rebekka war damit einer Marktanalyse sehr nahe gekommen, nur dass die keinen interessierte, weil es den Markt dafür noch nicht gab. An der Seite ihrer mit sich selbst beschäftigten Mutter war Rebekka von klein auf Einzelkämpferin gewesen und hatte sich ihre ganz eigene Meinung vom Leben gebildet.
    Daher war es eine logische Folge, dass die Optik des sich immer wiederholenden Logos der Berliner Recyclingfirma unter schwarz gerahmtem Text der Traueranzeigen Rebekkas Interesse geweckt hatte. Die gleiche Wirkung erzielten Werbeplakate auf Straßen und in Bahnhöfen. Hatte sie nur oft genug das gleiche Haarfärbemittel darauf gesehen, kaufte sie es als Nächstes. Und selbst von einem Sänger wie Roland Kaiser wusste sie bei penetranter Plakatierung ganz genau, wann er wo in Berlin ein Konzert gab, auch wenn seine Schlager die letzte Musik war, die sie hören würde. In Wirtschaft, Politik und Religion wurde dieser Trick erfolgreich angewendet, die Menschen fielen darauf herein und ließen sich willig an der Nase herumführen. So auch Rebekka Schomberg. Sie würde auch jetzt wieder routiniert behutsam mit einer Recherche beginnen, diesmal jedoch im Recyclinggeschäft. So wie
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