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Schluessel zur Hoelle

Schluessel zur Hoelle

Titel: Schluessel zur Hoelle
Autoren: Jack Higgins
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Vom gleichen Autor erschien außerdem als
    Heyne-Taschenbuch
    Die Mordbeichte – Band 5469

    1

      Als Chavasse den Ballsaal der britischen Botschaft betrat, sah er zu seiner Überraschung, daß sich die Angehörigen der chinesischen Delegation um den Kamin zusammenscharten; in ihren blauen Uniformen, umgeben von der Creme der römischen Gesellschaft, wirkten sie seltsam fehl am Platz.
      Tschou En-lai saß neben dem Botschafter und seiner Gattin in einem großen vergoldeten Sessel und blickte über die Menge hinweg. Seine teilnahmslose, undurchdringliche Miene verriet nichts. Hin und wieder führte der Erste Sekretär entsprechend illustre Gäste zu ihm und stellte sie ihm vor.
      Die Kapelle spielte einen Walzer. Chavasse zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich an eine Säule. Es war wie ein Bild aus längst vergangenen Zeiten: die kristallenen Kronleuchter, deren Licht die großen Wandspiegel wieder und wieder reflektierten, die schönen Frauen, die gutaussehenden Männer, die Galauniformen, das Scharlachrot und Purpur der kirchlichen Würdenträger, die tanzenden Paare, die sich endlos zu der leisen Musik drehten.
      Er blickte zu den Chinesen hinüber, und einen kurzen Moment schien es, als springe Tschou En-lais weißes Gesicht aus der Menge heraus, als sähen seine Augen ihn an. Er nickte leise, als ob sie einander kannten, und seine Augen schienen zu sagen: All dies ist dem Untergang geweiht – dies ist meine Stunde. Wir beide wissen es.
      Chavasse erschauderte; ohne jeden erkennbaren Anlaß erfüllte ihn ein unheimliches Gefühl. Es war, als warne ihn ein sechster Sinn – jene geheimnisvolle Gabe aller uralten Rassen, die er von seinem bretonischen Vater geerbt hatte – vor einer drohenden Gefahr.
    Der Moment ging vorbei, die Tanzenden drehten sich weiter. Er war müde, das war alles. Kein Wunder – in den letzten vier Tagen hatte er sich nur wenige Stunden Schlaf gönnen können. Er zündete sich noch eine Zigarette an und betrachtete sich im Wandspiegel.
      Der dunkle Abendanzug saß tadellos und unterstrich die breiten Schultern und die muskulöse, sehnige Figur, doch die Haut über den hohen Backenknochen war etwas zu straff gespannt, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
      Du brauchst einen Drink, dachte er, und im gleichen Augenblick sah er auch schon im Spiegel, daß durch die hohe Flügeltür hinter ihm ein junges Mädchen von der Veranda hereinkam.
      Chavasse drehte sich langsam um. Ihre Augen lagen etwas zu weit auseinander, und ihr Mund war ein wenig zu üppig. Das dunkle Haar hing locker auf die Schultern herab, und ihr weißes Seidenkleid, das bis knapp unter die Knie reichte, war von raffinierter Einfachheit. Sie trug keinen Schmuck. Das hatte sie nicht nötig. Wie alle großen Schönheiten war sie eigentlich nicht schön, und doch wirkten neben ihr alle anderen Frauen im Saal reizlos.
      Sie ging, verfolgt von den Blicken der Männer, an denen sie vorbeikam, auf die Bar zu und wurde sofort von einem italienischen Fliegeroberst in Beschlag genommen, der sichtlich ein Glas zuviel getrunken hatte. Chavasse ließ dem Mann genug Zeit, ihr gründlich lästigzufallen; dann drängte er sich durch die Menge und trat zu ihr.
      »Ach, da bist du ja, Liebling«, sagte er auf italienisch. »Ich hab dich schon überall gesucht.«
      Ihr Reaktionsvermögen war hervorragend. Sie wandte sich halb um und musterte ihn eine Sekunde. Dann hob sie den Kopf und küßte ihn leicht auf die Wange. »Zehn Minuten hast du gesagt. Es ist wirklich schrecklich mit dir.«
      Der Fliegeroberst zog sich verlegen zurück, und Chavasse grinste. »Wie war’s mit einem Glas Bollinger? Ich glaube, wir haben allen Grund zum Feiern.«
    »Eine gute Idee, Mr. Chavasse«, sagte sie in ausgezeichnetem Englisch. »Am besten, wir gehen auf die Terrasse. Draußen ist es kühler.«
      Chavasse nahm zwei Gläser Champagner vom Tisch und folgte ihr, leicht die Stirn runzelnd, durch die Menge. Es war wirklich angenehm kühl auf der Terrasse; in der Ferne hörte man leise den Verkehrslärm, und ein starker Jasminduft erfüllte die Nachtluft.
      Sie setzte sich auf die Balustrade und atmete tief ein. »Eine herrliche Nacht, nicht?« Sie drehte sich um, sah ihn an und lachte leise. »Francesca – Francesca Minetti.«
      Sie streckte die Hand aus, und Chavasse gab ihr das eine Champagnerglas. Er grinste. »Wer ich bin, wissen Sie ja offensichtlich schon.«
      Sie lehnte sich zurück und
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